Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
ganz in seiner Rolle als Zangler aufgehend.
So zahlte
man und trank aus. Die Neugier hatte schnell von allen Besitz ergriffen. Gemeinsam
spazierte man zur Straßenbahnlinie 31, was allgemein als willkommene Gelegenheit
zur Ausnüchterung empfunden wurde. Einem geübten Auge wäre dabei aufgefallen, dass
Sven Biedermann kurz die Hand von Sonja Friedl in die seine nahm, dass Korber verzweifelt
den Anschluss an Simone Bachmann suchte, während Pribil weiter forsch ihren Verlobten
Zangler mimte, dass Ilona Patzak sich inzwischen bei Korber eingehängt hatte, dass
Toni Haslinger, um den es bei der ganzen Sache ja mehr oder minder ging, ein wenig
einsam und desinteressiert mit den anderen mitschlenderte, und dass Anette Riedl
ein wenig wackelig auf den Beinen war, weil sie noch schnell unbemerkt drei beim
Gehen hastig im Stich gelassene, gut gefüllte Gläser Wein geleert hatte. Doch um
diese Zeit hatte niemand mehr ein sicheres Auge.
Nachdem
Glomsers Versuch, mit keineswegs geübter Stimme ein Wienerlied zu trällern, im Keim
erstickt worden war, ging es in der von der Abendsonne beschienenen Tramway zurück
in Richtung Floridsdorf am Spitz. Die Gespräche verebbten, die Stimmung wurde plötzlich
wieder ernst. Jeder wollte wissen, was sich am Nachmittag in der Schule getan hatte.
Als die
Theaterleute aufmarschierten, lag das Café Heller ruhig und verlassen, beinahe wehrlos,
vor ihnen. Die sommerliche Hitze hatte ihren Tribut gefordert. Es roch noch nach
Kaffee und Zigarettenrauch, aber die Sessel, Bänke und Billardtische waren leer.
Nur Fritz Stössl saß an einem der großen Fenster und ließ sich sein Bier schmecken.
»Na, Fritz,
was ist los?«, schoss es aus Pribil, der sich kaum noch zurückhalten konnte, heraus.
Stössl blickte
schelmisch auf. »Was soll denn los sein?«
»Mensch,
was war los mit Walters? Was hat er gesagt? So red schon!«
Stössl genoss
die Situation. Jetzt stand er im Mittelpunkt. Bedächtig deklamierte er: »Ich konnte
nicht gehen. Ich musste warten. Warten … wie auf Godot.«
»Und?«
»Und er
ist nicht und nicht gekommen, der Herr Walters – genauso wenig wie der Godot!«
*
»So überhaupt gar nicht ist er gekommen?«
»Nein, so
überhaupt gar nicht.«
»Und was
hast du da gemacht, Stössl?«, fragte Sonja Riedl verständnislos.
Stössl zuckte
mit den Achseln. »Ich konnte nicht gehen. Ich musste warten. Da habe ich eben noch
einmal meine Monologe auswendig gelernt.«
»Welche
Monologe?«, ätzte Sven Biedermann.
»Also zunächst
einmal meinen ersten Monolog, wo ich sage: ›Da bin ich, das Meisterwerk ist vollendet‹.«
»Aber da
komme ja gleich drauf ich dran, dann wieder du. Das ist kein Monolog, sondern ein
Dialog«, belehrte Pribil ihn.
»Kein Monolog?«,
zeigte Stössl sich erleichtert. »Gott sei Dank! Ich hab schon gedacht, so viele
Monologe lernen, das wird schwierig. Und Angst hab ich gehabt, dass mich der Walters
alle abprüft, wenn er kommt, aus Wut, dass niemand da ist.«
»Du bist
wirklich eine seltene Flasche, Stössl«, griff sich Biedermann an den Kopf.
Mittlerweile
hatten alle um Stössl herum Platz genommen. Korber überlegte kurz, dann ergriff
er das Wort: »Egal, was wir jetzt von Fritz erfahren, Tatsache bleibt, dass Walters
nicht zur Probe erschienen ist. Das muss uns zu denken geben. Worin liegt der Grund
seiner Abwesenheit? Hat etwa einer von euch …?«
»… es ihm
gesagt? Ausgeschlossen«, protestierte Elfriede Bachmann. »Wir wissen ja nicht einmal,
wie wir ihn erreichen können.«
In der Zwischenzeit
hatte sich Leopold angepirscht, um nach Bestellungen Ausschau zu halten. Er beschloss,
die Debatte noch ein wenig anzuheizen. »Entschuldigen Sie, Herr Glomser, hat Herr
Walters Sie heute noch erreicht?«, erkundigte er sich scheinheilig.
»Herr Walters?
Mich?« Glomser sah drein, als verstünde er überhaupt nichts.
»Ja! Er
war ganz zeitig in der Früh hier und hat nach Ihnen gefragt. Offensichtlich hat
er Sie dringend gesucht.«
»Davon weiß
ich nichts!«
»Worum es
genau ging, hat er nicht gesagt, aber es schien wichtig zu sein«, erläuterte Leopold.
»Ha, jetzt
habe ich dich, Freddie«, rief Korber angriffslustig. »Die Sache ist doch offensichtlich.
Du hast Walters unsere Aktion gesteckt. Du hast dich mit ihm getroffen und ihm brühwarm
alles erzählt. Weißt du eigentlich, dass das so etwas wie Hochverrat ist?«
»Ich habe
ihm nichts erzählt, zum Teufel! Ich habe ihn nicht einmal gesehen.« Glomser schien
alles immer
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