Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Walters nur kurz gesehen, als er vor seinem Verschwinden zu uns ins Kaffeehaus
kam«, meinte Leopold achselzuckend. »Das ist er nicht. Aber es könnte ein Mann namens
Johann Meyer sein.«
»Wer ist
denn das schon wieder?«, kam es diensteifrig von Bollek.
»Das ist
jetzt vielleicht ein bisschen kompliziert, vor allem für Sie, Herr Inspektor«, konnte
sich Leopold eine spitze Bemerkung nicht verkneifen. »Herr Johann Meyer war der
kurzfristige nicht angemeldete Mitbewohner des zu dieser Zeit nicht anwesenden Felix
Berndorfer in der Schenkendorfgasse.«
Bollek kratzte
sich an seinem Kopf, der bedenklich rot wurde, und ging dann seiner Wege. Juricek
trug den Namen in sein Notizheft ein. »Die Geschichte erzählst du uns später«, meinte
er zu Leopold. »Es ist spät. Ihr könnt also beide zur Identität des Toten nichts
aussagen?«
»Leider
ist es so«, bestätigte Leopold. »Was wirst du jetzt unternehmen?«
»Das ist
nicht schwer. Wir müssen zunächst einmal herausfinden, mit wem wir es hier zu tun
haben, wie er zu Tode gekommen ist, und vor allem wann. Er ist sicher schon ein
paar Tage hier drinnen gelegen, aber auch nicht länger, glaube ich. Wenn das Wasser
warm ist, so wie jetzt, kommen sie schneller herauf. Die Todeszeit könnte also durchaus
mit dem Verschwinden von Walters übereinstimmen. Ist er es vielleicht doch? Wir
hätten Simone Bachmann nicht so schnell gehen lassen sollen, aber sie ist unter
Schock gestanden und war nicht sehr hilfreich. Wir müssen eben noch einige Leute
vom ›Floridsdorfer Welttheater‹ einen Blick auf ihn werfen lassen und nach Verwandten
suchen, da hilft gar nichts. Aber wenn er es nicht ist, was wir derzeit eher annehmen
können? Dann müssen wir schauen, wer seit Ende voriger Woche vermisst gemeldet wurde
und auch sonst einiges an Kleinarbeit leisten. Schließlich stellt sich noch eine
wichtige Frage: Wo steckt Walters? Er scheint ja seit vorigen Freitag wie vom Erdboden
verschwunden zu sein.«
»Gar so
einfach ist das alles doch nicht«, überlegte Leopold.
»Du hast
es erfasst«, nickte Juricek zustimmend. »Die Sache ist noch ziemlich unübersichtlich.«
»Richard,
du weißt, wenn ich dir irgendwie helfen kann …«
Leopolds
Unterstützungserklärung wurde von einem lauten Donner unterbrochen. Gleichzeitig
frischte der Wind auf, und schwere Tropfen begannen vom Himmel zu fallen. Am Horizont
zuckte ein greller Blitz. »Komm, erzähl mir noch schnell, was es mit diesem Johann
Meyer auf sich hat«, bat Juricek und nahm Leopold an der Schulter. »Aber im Polizeiauto.
Gleich geht’s hier richtig los. Nach einer langen Hitzeperiode sind die Gewitter
am ärgsten.«
8
»Die Perücke ist eine falsche
Behauptung.« (Nestroy)
»Wie furchtbar! Es muss schrecklich
gewesen sein.« Ilona Patzak zeigte ihr ganzes Mitgefühl. Nach einer kurzen Pause
fügte sie neugierig hinzu: »Du warst so spät noch an der Alten Donau?«
Thomas Korber
nickte. Er hatte während der Nacht kaum ein Auge zugetan. Immer wieder hatte das
Bild des Toten ihn heimgesucht, war ihm gewesen, als hätte die Fratze ihre Augen
geöffnet und ihn mit ihrem durchdringenden Blick angestarrt. Deshalb war er ganz
gegen seine Gewohnheiten sehr zeitig in die Schule gegangen, um unter Menschen zu
sein. Im Kaffeekammerl hatte er Ilona Patzak getroffen und, da sonst noch niemand
da war, begonnen, ihr sein Herz auszuschütten.
Allerdings
hatte er dabei übersehen, dass es schwierig war, die Geschichte so zu erzählen,
dass sein nächtliches Abenteuer mit Simone Bachmann nicht aufflog, von dem nicht
gleich jeder wissen musste. »Ja«, gab er zögerlich von sich, »ich war beim Birner
essen. Dann bin ich noch ein wenig die Alte Donau entlangspaziert, und ganz plötzlich
war er da, dieser … Körper.«
Patzak hörte
interessiert zu. »Ganz plötzlich, so ohne Vorwarnung?«, wollte sie wissen.
»Ja, auf
einmal habe ich ihn auf der Wasseroberfläche gesehen. Ich war mir nicht ganz sicher,
ob er noch lebte und bin hinausgeschwommen, um nachzusehen. Aber ich habe schnell
gemerkt, dass er tot war, mausetot, genauer gesagt. Und schon ganz schön verschrumpelt.«
Sie tätschelte
ihn an der Schulter. »Du bist ein Held! Keine Widerrede, ich meine das ernst. Die
Leiche lag schon länger im Wasser, sagst du?«
»Ein paar
Tage auf jeden Fall, meint die Polizei.«
»Aber erkannt
hast du nicht, wer es war?«
»Nein, das
konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Es war ein grausiger Anblick, das Gesicht
hat schon so …
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