Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
das Beste sein würde,
irgendwohin auf Urlaub zu fahren. Das hatte er schon so lange nicht getan, dass
er das Gefühl gar nicht mehr kannte. Aber wohin sollte er? Und vor allem mit wem?
Mit Thomas Korber? Unmöglich! Das würde nur seine Nerven auf das Äußerste strapazieren.
Und alleine? Nein, das war viel zu kompliziert und zahlte sich ja doch nicht aus.
»Nun, Leopold?«,
riss ihn da Frau Hellers Stimme aus seinen Gedanken. »Wie schaut es aus? Sommerlich
lau, wie es scheint. Ich denke, wir machen Sperrstunde. Dann haben Sie auch noch
etwas von dem schönen Abend.«
»Bitte sehr,
wenn Sie es wünschen, gnä Frau«, nahm Leopold diese Entscheidung mit einer leichten
Verbeugung zur Kenntnis.
»Ich werde
mich noch ein wenig inspirieren lassen«, verkündete Frau Heller. »Schön langsam
müssen meine Pläne das Lokal betreffend konkreter werden. Aber ich denke, die Linie
ist vorgegeben. Nach meiner Begegnung mit Herrn Walters habe ich die Gewissheit,
dass Kunst und Kultur in unserem Kaffeehaus in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen
werden. Ich glaube, es ist deshalb am besten, wenn wir im hinteren Bereich eine
kleine Bühne aufbauen.«
»Aber dort
hätten doch die Billardtische hinkommen sollen«, warf Leopold ein.
»Dann bleiben
sie eben, wo sie sind, und wir machen die Lounge hinten bei der Theaterbühne. Bei
Veranstaltungen bauen wir kurzfristig um. Man muss flexibel sein, Leopold, und sich
dann für die vernünftigste Lösung entscheiden. Meine Tochter Doris wird mir dabei
helfen. Sie muss gleich da sein.«
»Ah, das
Fräulein Tochter ist in Wien?«, erkundigte sich Leopold. Doris Heller studierte
Architektur in Graz. Böse Zungen behaupteten, sie habe den Ortswechsel vorgenommen,
um nur ja recht weit weg vom Kaffeehaus zu sein, aber in letzter Zeit kam sie wieder
öfter auf Besuch. Immerhin schien es, als würde der Umbau auch sie interessieren.
Da kam das
schlanke, große Fräulein auch schon mit wehendem brünettem Haar zur Türe hereingeschossen.
»Grüß dich, Mama, Servus, Leopold«, rief sie und küsste Frau Heller flüchtig auf
die Wange. Leopold konnte sich nicht helfen, aber er hatte bei ihr immer den Eindruck,
als habe sie es besonders eilig. »Grüß Sie, Fräulein Doris. Jetzt fehlt ja nur noch
der Herr Papa zur Besichtigung«, sagte er.
»Mein Gatte
ist leider ein Mensch wie Sie, Leopold«, seufzte Frau Heller. »Alle Veränderungen
sind ihm ein Gräuel. Er wird nicht kommen. Er zieht den Fernsehapparat und die Fernbedienung
einer Entscheidung über die zukünftige Entwicklung des Café Heller vor. Es soll
mir recht sein. Ich habe die ständigen Debatten mit ihm über die Verschönerung und
Erneuerung unseres Lokals ohnedies satt.«
»Dann möchte
ich nicht länger stören«, erklärte sich Leopold bereit zum Rückzug. Es war jetzt
wirklich notwendig, dass er sich schnell aus dem Staub machte. Mutter und Tochter
würden in trauter Zweisamkeit einen Plan nach dem anderen schmieden und wieder verwerfen,
ein ›vielleicht‹ hier und ein ›eventuell‹ da anbringen und schließlich alle wichtigen
Entscheidungen vertagen. Das war nur Gift für seine Nerven.
Aber womit
konnte er sich ablenken? Was würde seine Gedanken vom drohenden Renovierungsszenario
ablenken?
Er kassierte
ab, dann machte er einen Blick in seine Lade, sein Heiligtum, in dem er alles aufbewahrte,
was ihm lieb und wert war. Schon kam ihm die Eingebung, auf die er gewartet hatte.
Natürlich! Dass er nicht gleich daran gedacht hatte! Es gab für ihn heute noch durchaus
etwas Wichtiges zu erledigen.
Leopold
nahm also rasch ein paar Sachen an sich, schlüpfte aus dem Dienstanzug in sein Privatgewand
und verließ das Café Heller schließlich durch die kleine Küche und den Hintereingang,
um seine Chefin und ihre Tochter Doris nicht mehr zu stören.
*
Die Alte Donau lag ruhig und verlassen
da, so als müsse sie nach dem heißen Tag und den zahlreichen Badegästen neue Kräfte
sammeln. Simone Bachmann und Thomas Korber machten sich unter einem Weidenstrauch
bereit für ihr nächtliches Bad. »Ich kann es kaum mehr erwarten«, freute sich Simone,
und während Korber noch umständlich an seiner Hose herumknöpfte, sah er bereits
ihren nackten Hintern im Wasser verschwinden. »So komm doch«, rief sie ihm, wild
mit den Füßen strampelnd, zu. »Es ist herrlich hier herinnen.«
Korber kämpfte
damit, aus seinen Hosenbeinen herauszukommen. Die Situation wurde ihm immer unangenehmer.
Vorsichtig sah er sich um, ob auch ja
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