Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Öffentlichkeit, meins folgt bald nach. Wir
sollten einander gerade in Zeiten, wo mit der Anonymität kein Staat mehr zu machen
ist, vertrauen. Zweitens ist Herr Walters leider verstorben. Den stört es nicht
mehr, wenn Sie mir etwas erzählen, vor dem brauchen Sie also keinen Genierer mehr
zu haben. Und drittens …«
»Ja?« Unruhig
hing Biedermann an Leopolds Lippen.
»Drittens
ist die Polizei an seinem Tod interessiert, wie Sie wissen. Hat man Sie eigentlich
schon zur Causa ›Anonyme Bekenntnisse‹ befragt? Vermutet man bereits etwas?«
»Nein! Gott
sei Dank noch nicht«, antwortete Biedermann erleichtert.
»Es kann
aber stündlich so weit sein«, ließ Leopold keine verfrühten Hoffnungen aufkommen.
»Es ist wie bei einem Netz, das sich immer dichter zusammenzieht. Glauben Sie, da
nützt es noch etwas, wenn man sich auf die Anonymität beruft? Nein, nein, da müssen
die Sachen schneller auf den Tisch, als einem lieb ist. In so einem Fall muss man
vorbereitet sein. Drum wäre es gut, wenn Sie mir erzählen würden, was war. Immerhin
könnte ein Verdacht auf Sie fallen, und den müssen wir zu entkräften versuchen.«
Von immer
weiter weg schien für Sven Biedermann die Debatte seiner Schauspielkollegen an sein
Ohr zu dringen. In seinem Kopf pochte und hämmerte es. Er begann zu schwitzen, obwohl
es nur ein leidlich warmer Abend war. Leopold schob ihm ein Glas Weinbrand unter
die Nase. »Das ist gegen die Aufregung«, versicherte er. »Ich trinke auch eines,
obwohl ich im Dienst bin. Da müssen wir jetzt einfach durch.«
Biedermann
kippte das Glas in einem Zug hinunter. Der Alkohol hatte sofort eine enthemmende
Wirkung auf ihn. Noch einmal fokussierte er vorsichtig den Schauspielertisch, dann
begann er: »In meiner Präsentation ging es um meine alten Schwächen, das Spielen
und das Geldausgeben. Es ist mir nie leicht gefallen, mit Geld umzugehen. Früher
bin ich nächtelang am Pokertisch gesessen und habe davon geträumt, meine Mitspieler
auszunehmen. Aber in Wirklichkeit war meistens ich der Gerupfte. Meine damalige
Freundin war mit meinem Lebenswandel natürlich überhaupt nicht einverstanden. Ständig
hat sie gemeckert und mir mit Liebesentzug gedroht.«
»Ja, ja,
das mit dem Spielen haben die Frauen überhaupt nicht gern«, lächelte Leopold. »Die
kaufen sich ein paar schöne Sachen und den Rest vom Geld halten sie zusammen. Das
kennt man. Aber leider haben sie in den meisten Fällen recht.«
»Gisela
– so hat sie geheißen – ist mir damals fürchterlich auf die Nerven gegangen«, sinnierte
Biedermann.
Leopold
spürte, wie sein Gegenüber immer redseliger wurde. Er beschloss, noch ein Schäuferl
nachzulegen und füllte beide Gläser erneut mit Weinbrand. »Nur keine falsche Zurückhaltung«,
forderte er sein Gegenüber auf. »Geht alles aufs Haus, das heißt, auf mich. Einmal
muss sich der Mensch ja auch was gönnen.« Wieder trank Biedermann rasch aus. »Richtig
gehasst habe ich sie, weil sie mich ständig kritisiert und heruntergemacht hat«,
erzählte er weiter. »Irgendwie wollte ich sie bestrafen, das spukte mir ständig
im Kopf herum. In einer Nacht hatte ich dann einmal besonders viel Geld verloren.
Ich konnte nicht zahlen, musste es schuldig bleiben. Das war eigentlich öfters so,
aber diesmal war die Summe eben sehr hoch. Es bestand die Gefahr, dass ich in meinen
finanziellen Möglichkeiten für längere Zeit sehr eingeschränkt sein würde. Gerhard,
bei dem ich die Schulden gemacht hatte, war unnachgiebig. Er ließ mir nichts nach.
Spielschulden seien Ehrenschulden, sagte er.«
Leopold
erinnerten diese Worte an manchen Gast aus früherer Zeit. Viele hatten gespielt,
bis ihnen nur mehr das gehörte, was sie am Leib trugen. Rommé handglatt, um hohe
Beträge. Nur wenige hatten es geschafft, rechtzeitig aufzuhören. Die meisten hatten
das Glück zwingen wollen. Irgendwann verschwanden sie dann und tauchten nie wieder
auf. Er wollte gar nicht wissen, wieviel Geld er dem einen oder anderen von ihnen
geborgt hatte, nur bis zum nächsten Donnerstag oder Freitag, spätestens bis zum
Monatsersten. Er hatte das Geld natürlich nie wiedergesehen. Wenn ihm einer von
denen begegnete, zog der sofort den Kopf ein und wechselte die Straßenseite. Wahrscheinlich
war dessen Existenz ein ständiges Davonlaufen vor seinen Gläubigern und vor sich
selbst geworden.
»Gerhard
machte mir dann aber ein Angebot, das ich damals sehr interessant fand«, hörte Leopold
Biedermann weiterreden, während er an
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