Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Stössl forderte unerbittlich: »Die Wahrheit muss
ans Licht!« Diesmal handelte er sich dafür nur vielsagende Blicke ein.
»Wir haben
jeder für die Todesnacht ein Alibi«, warf Pribil ein. »Ich bitte, das zu bedenken.
Nur bei dir und Ilona sieht es da nicht so gut aus«, bemerkte er in Richtung Korber.
Thomas Korber,
der sich diesmal auffällig weit weg von Simone Bachmann gesetzt hatte, zuckte die
Achseln. »Schön, damit muss ich leben«, meinte er. »Das ist eben der Nachteil, wenn
man alleine ist. Aber welches Motiv sollte ich haben? Ich habe Walters nur von den
Proben her gekannt.«
»Wir alle
haben Herrn Walters erst hier bei den Proben kennengelernt«, fügte Ilona Patzak
hinzu.
»Stimmt
nicht ganz«, meldete sich Glomser zu Wort. »Laut Wondratschek war Walters zeitweise
an der Schauspielschule tätig, die Elfriede besucht hat. Sie müsste ihm dort also
eigentlich irgendwann über den Weg gelaufen sein.«
»Was dein
Herr Wondratschek nicht alles weiß«, schüttelte Elfriede Bachmann den Kopf. »Ich
weiß jedenfalls nichts davon, weil ich mich nicht mehr so genau an diese Zeit erinnere.
Es ist schon lange her, und selbst wenn ich ihm begegnet bin, hat das keinen bleibenden
Eindruck hinterlassen.«
»Wüste Vermutungen«,
konterte Peter Pribil. »Gerüchte, die in die Welt gesetzt werden, um von den eigenen
Problemen abzulenken. Das ist klassisch, würde Nestroys Hausdiener Melchior dazu
sagen.«
»Ich muss
doch sehr bitten«, wies Glomser ihn zurecht. »Es sind Tatsachen, von denen ich spreche.
Dazu gehört auch, dass Walters zwei Wochen vor Beginn der Proben bei Simone im Reisebüro
war. Das hat sie uns selbst erzählt.«
»Und was
leitest du daraus ab?«, fragte Simone Bachmann. »Schön, er war bei mir, aber dazu
ist ein Reisebüro ja da. Er hat sich erkundigt, wie viele andere auch.« Ihr Blick
streifte Leopold, der sich natürlich geschäftig bemühte, immer in der Nähe der Gruppe
zu bleiben, um möglichst viel von der Auseinandersetzung mitzubekommen. Dann schaute
sie weiter nervös in die Runde. Mit ihren Augen suchte sie Anette Riedl, aber die
war, ebenso wie Toni Haslinger, offenbar gleich nach der Probe gegangen.
»Bitte lasst
doch die gegenseitigen Anschuldigungen, das hat alles keinen Zweck«, mischte sich
jetzt Ilona Patzak ein. »Es ist in höchstem Maße kontraproduktiv. Wenn jemand Genaueres
über die Vergangenheit von Herwig Walters weiß, soll er uns darüber informieren,
ebenso, wenn ihm oder ihr in letzter Zeit etwas Besonderes an ihm aufgefallen ist.
Nur so kommen wir weiter.«
Es wurde
ruhig in der Runde. »Schweigen im Walde«, konstatierte Stössl.
»Halt die
Klappe, Fritz«, fuhr ihn Sven Biedermann an, der einen äußerst angespannten Eindruck
machte.
»Konzentrieren
wir uns doch auf das Wesentliche«, schlug Korber vor. »Freddie, sei ehrlich, hier
tut dir keiner was: Hast du dich an dem bewussten Freitag, als Walters starb, mit
ihm getroffen oder nicht?«
»Wie oft
werde ich das noch gefragt?«, reagierte Glomser verärgert. »Natürlich nicht! Hundertmal
könnte ich das beschwören!«
»Ruhig Blut,
Freddie, es genügt die sachliche Feststellung«, fuhr Korber fort. »Mir geht’s um
Folgendes: Wenn Walters dich unbedingt sehen wollte und anscheinend nicht getroffen
hat, weshalb ist er dann nicht zur Probe gekommen, um mit dir zu reden? Das ist
doch seltsam.«
»Vielleicht
war es doch nicht so wichtig«, meinte Glomser achselzuckend. »Künstler sind sprunghafte
Menschen. Da ändern sich die Prioritäten schnell.«
»Ich habe
da eine völlig andere Theorie«, meldete sich Ilona Patzak wieder zu Wort. »Was,
wenn Walters zu Probenbeginn gar nicht mehr gelebt hat?«
»Relativ
unwahrscheinlich«, überlegte Elfriede Bachmann. »Es war Badewetter, die Alte Donau
war untertags voll, also hätte ihn dort sicher niemand umbringen können, und ein
Unfall wäre wohl auch bemerkt worden. Und wenn er woanders gestorben ist, wäre es
ein relativ umständliches Unterfangen gewesen, ihn dort zu deponieren, wo er gefunden
wurde. Außerdem lässt sich vermutlich feststellen, ob das Wasser in seiner Lunge
aus der Alten Donau oder etwa aus einer Badewanne stammt.«
Aber Ilona
Patzak gab nicht auf. In ihrem Hirn formte sich jetzt ein kühner Gedanke nach dem
anderen. »Dann muss es so gewesen sein«, folgerte sie. »Walters hat im Laufe des
Freitags jemanden getroffen, nicht unseren Freddie, sondern jemand anders, und diese
Begegnung war mit einem Mal wichtiger als alles
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