Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Bachmann schien er jedenfalls abgeschüttelt
zu haben, denn er schlenderte alleine auf Leopold zu. »Ganz schön anstrengend«,
teilte er ihm mit. »Im Augenblick will sie mich wieder. Am Wochenende war sie noch
abweisend.«
»Pass nur
auf, dass du nicht gleich wieder den nächsten Unfug machst«, warnte Leopold.
»Keine Sorge«,
versicherte Korber. »Ich bin ja nicht blöd. Aber ohne Geli war’s zugegebenermaßen
ganz schön einsam. Und in der Not hält man sich nun einmal an das, was gerade da
ist.«
»Nicht ›man‹,
sondern du «, verbesserte Leopold. »Immerhin zeigst du schon Ansätze zu einer
Besserung. Kommst du noch auf einen Sprung mit ins Kaffeehaus?«
»Keine schlechte
Idee. Ich muss nur noch Geli anrufen, dass es etwas später wird – und natürlich,
dass ich mit dir unterwegs bin«, fiel Korber ein. »Du kannst dir inzwischen unser
Programmheft anschauen und mir dann mitteilen, wie es dir gefällt. Wenn du nett
bist, lässt du das Positive überwiegen, es hat ganz schön viel Arbeit gekostet.«
Leopold
blätterte das Heft durch. Es war tatsächlich gut gemacht. Schönes, glänzendes Papier.
Ein bisschen was über Nestroy, ein bisschen was übers Wiener Volksstück, eine kurze
Inhaltsangabe, schließlich die Fotos und Lebensläufe aller beteiligten Personen
und zuletzt die Werbeeinschaltungen.
Er stutzte.
Dann blätterte er noch einmal, ganz sorgfältig und genau, Seite für Seite.
Plötzlich
lag alles ganz klar und deutlich vor ihm. Die ganze Zeit hatte er es vor Augen gehabt,
aber er war blind gewesen, richtiggehend blind. Dabei war die Lösung denkbar einfach.
Er hatte nur viel zu kompliziert gedacht. Es war so, wie Nestroy gesagt hatte!
»Reiß dich
von deinem Schatz los, wir müssen ins Kaffeehaus, aber rasch«, rief er Korber zu.
»Warum hast
du es denn plötzlich so eilig?«, rief Korber zurück.
»Das erklär
ich dir später!«
*
»Das Theaterspielen ist ja gar nicht
so schwer. Wenn ich mehr Zeit hätt und mich der Sache ordentlich widmen könnte,
würde ich schon bald einen Großteil des Ensembles in die Tasche stecken«, teilte
Herr Heller seiner Frau gut gelaunt mit. »Na ja, vielleicht kehre ich noch einmal
allen anderen Dingen den Rücken zu und werde Schauspieler.«
»Das wirst
du schön bleiben lassen«, bremste Frau Heller seine Euphorie rasch wieder ein, während
sie den Rauch einer Zigarette inhalierte. »Hier brauche ich dich, hier spielt die
Musik, und in Zukunft hoffentlich auch die Kultur. Aber Herr Wondratschek und ich
überlegen, ob wir dich nicht für kleine kabarettistische Einlagen heranziehen könnten.«
»Wenn man
sich richtig in seine Rolle hineinversetzt, merkt man auch die ganzen Feinheiten,
die so ein Text hat: ›Einen Kaffeelöffel sollten wir ihm liegen lassen – als Souvenir
vom Silberkasten‹. Zuerst habe ich mir den Satz nicht und nicht merken können, jetzt
finde ich ihn einfach genial!«, sinnierte Herr Heller. Er war offensichtlich auf
den Geschmack gekommen.
Beide blickten
irritiert zur Türe, als plötzlich Leopold mit Korber hereinstürmte, zu seiner heißgeliebten
Lade eilte, sie aufriss und triumphierend ein Blatt Papier in die Höhe hielt. »Das
ist der Beweis! Alles ist genauso, wie ich gedacht habe«, verkündete er. Dann setzte
er sich, den nervösen Aufforderungen seines Kollegen Waldbauer folgend, zusammen
mit seinem Freud an einen der hinteren Tische und bestellte ein Glas Apfelsaft aufgespritzt.
Er war aber kaum mehr zu bremsen. »Ich habe gewusst, dass ich mich auf dich verlassen
kann. Wirklich eine großartige Leistung«, lobte er Korber überschwänglich.
Der hatte
keine Ahnung, worum es überhaupt ging. »Ich kenne mich nicht mehr aus«, gestand
er. »Zuerst bist du fuchtig auf mich, weil ich dir angeblich meine Hilfe verweigert
habe, und jetzt hebst du mich in den siebenten Himmel.«
»Du hast
gerade im richtigen Zeitpunkt das Programmheft gebracht«, machte Leopold den Versuch
einer Erklärung. »Das hat mir die Augen geöffnet. Sosehr ich auch geschaut habe,
habe ich darin nicht gefunden, was ich gesucht habe.«
»Und was
war das?«, wollte Korber, der es schon gar nicht mehr aushielt, wissen.
»Ein Foto
von Walters. Natürlich ist es nicht mehr im Programm drinnen, weil Walters ja verstorben
ist und nicht mehr Regie führt. Aber es hat mich daran erinnert, dass ich ja von
dir ein Foto von Walters bekommen habe.«
»Ja und?
Das ist alles nichts Neues«, stellte Korber, dem Leopolds umständliche Art zu
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