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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Knorr. Sie brachten die Kühle und zeitweise Überheblichkeit ihrer bürgerlichen
Existenz beinahe im Verhältnis eins zu eins auf die Bühne. Lachen musste Leopold
insgeheim, als Weinberl nicht so recht wusste, wie er sich Madame Knorr gegenüber
vorstellen sollte und schließlich in seiner Verzweiflung behauptete, er sei der
Gatte von Frau von Fischer, wo er doch schon wusste, dass die Fischer und die Knorr
miteinander befreundet waren. Es war eine der zahlreichen Unwahrscheinlichkeiten,
die man nirgendwo für bare Münze nahm, nur auf dem Theater. Alles hatte hier seine
eigene Logik. Auf der Bühne konnte man den Leuten anscheinend vormachen, was man
wollte, ohne dass es an Plausibilität verlor.
    Vollends
absurd schien Leopold dann die Szene, in der Zanglers Schwägerin, das Fräulein von
Blumenblatt – überzeugend dargestellt von Korbers Kollegin Ilona Patzak – den in
einen Burnus gehüllten Christopherl für ein ›strafbares Mädchen‹ hielt. Das strotzte
doch wirklich vor Lächerlichkeit. Aber auch diese optischen Täuschungen waren ein
als selbstverständlich akzeptierter Teil so mancher Dramaturgie. Woher das wohl
kam? Vielleicht aus dem elisabethanischen England, als die Schauspieltruppen nur
aus Männern und Knaben bestanden, die dann auch in alle Frauenrollen schlüpfen mussten?
Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Selbst von
den deutschen Klassikern gab es allerhand Zweifelhaftes zu vermelden. Leopold erinnerte
sich, dass es ihm schon als Schüler unlogisch vorgekommen war, dass in Schillers
›Die Räuber‹ der Held Karl Moor in einer Verkleidung weder von seinem Vater, dem
alten Moor, noch von seiner Braut Amalie erkannt wird, Menschen also, die doch ein
Nahverhältnis zu ihm haben. Nein, nein, es war schon so, dass die Zuseher geneigt
waren, vieles für bare Münze zu nehmen, das einer genaueren Betrachtungsweise nicht
standhielt. Die Illusion war ihnen wichtiger als sämtliche Gesetze der Logik.
    Irgendwo
hier musste Leopold ansetzen: bei Verwirrspiel und Jux, Lug und Trug, natürlich
aber auch bei Neid und Geld. Ein wichtiger Punkt war Walters kleines Vermögen, das
bald jemand anderem gehören würde, Anette Riedl oder Sonja Friedl. Ein weiterer
wichtiger Punkt musste darin bestehen, was er soeben bei der Probe gesehen hatte.
Allerdings musste er sich eingestehen, dass ihm hier noch der entscheidende Gedanke,
das alles in die richtigen Bahnen lenkende Aha-Erlebnis fehlte. Leopold begann zu
grübeln, während Herr Heller seinen Part als Einbrecher relativ trocken herunterspielte.
Er grübelte immer noch, als die Probe zu Ende war und das Licht anging. »Die Kritik
machen wir morgen«, hörte er Freddie Glomser sagen. »Heute ist es schon spät, und
alle wollen nach Hause.«
    Tatsächlich
waren mehr als zwei Stunden vergangen. Leopold drehte sich um. Juricek und Bollek
waren bereits gegangen. Gerne hätte er gewusst, ob sie bereits irgendeiner heißen
Spur nachgingen. Aber wie es schien, tappten auch sie noch großteils im Dunkeln.
    Beim Floridsdorfer
Welttheater herrschte nun rege Betriebsamkeit. Alle waren bemüht, so schnell wie
möglich wegzukommen. »Gehen wir noch auf einen Drink, Friedelchen?«, rief Peter
Pribil Elfriede Bachmann brunftig nach. Er schien sich hier tatsächlich auf ein
Abenteuer einlassen zu wollen. »Nein, in nächster Zeit nicht! Wirklich nicht! Nein,
heute auch nicht«, redete Thomas Korber auf Simone Bachmann ein, die sich wie eine
Klette an seine Fersen heftete. »Es hat eine kleine Veränderung meiner Situation
in den letzten Tagen gegeben, das musst du verstehen.« Währenddessen versperrte
Herr Heller Freddie Glomser den Weg, so gut er konnte. »So sagen S’ mir doch schon
heute, wie ich war«, flehte er. »Ich kann nicht bis morgen warten. Ich muss es unbedingt
wissen, meine Göttergattin fratschelt mich sicher gleich aus, wenn ich heimkomme.«
»Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen«, verkündete Fritz Stössl
in alle Richtungen, hob die Hand zum Gruß und ließ dann sofort seinen Körper in
sich zusammenfallen wie eine Marionettenpuppe nach getaner Arbeit. Dass er sich
dabei an die Stirn griff und leise die Lippen bewegte, deutete an, dass er schon
wieder seinen Text memorierte. Von den anderen war nichts mehr zu sehen.
    Schön langsam
dachte auch Leopold ans Gehen. Er wartete nur noch darauf, ob Thomas Korber mit
ihm kommen würde. Zu zweit machte das Nachdenken mehr Spaß, und so halbwegs bekehrt
schien sein Freund ja zu sein. Simone

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