Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
erstmals zu
sprechen bereit. »So war es nicht«, platzte es aus ihm heraus.
»Ach so?
Wie war es denn?«, fragte Leopold mit Genuss.
»Natürlich
war ich sauer auf Walters. Der hatte mich rausgeschmissen, einfach so, ohne Grund.
Das konnte ich mir doch nicht gefallen lassen. Also wollte ich mit ihm reden. Aber
nicht erst am Freitag, sondern gleich, am selben Abend. Ich bin auch nicht zur Alten
Donau, das ist ja lächerlich. Warum hätte ich ihn dort suchen sollen? Ich bin in
die Stadt, zum Zwölfapostelkeller. Dort hat er sich gerne herumgetrieben. Und wirklich,
er war dort.«
»Alleine?«
Toni nickte.
»Ja! Allein und ziemlich angeheitert. Er hat telefoniert, anscheinend mit seiner
Flamme.«
»Woher weißt
du das?«
»Ich wollte
ihm sagen, was für ein gemeiner Kerl er war. Ich war fruchtbar wütend. Aber dann,
als ich ihn gesehen habe, hat mich der Mut verlassen. Ich war auf einmal wie gelähmt.
Ich bin dagestanden und habe mich nicht gerührt, nur zu ihm hingestarrt. Er hat
mich nicht bemerkt, weil er mir fast vollständig den Rücken zugedreht hat. Wie ich
so dagestanden bin, habe ich zwangsläufig etwas von dem Telefongespräch mitbekommen,
das er gerade geführt hat. Er hat etwas von ›Schätzchen‹ gesagt, und dass er sie
noch treffen wollte.«
»Und die
Zigarre?«, fragte Leopold weiter.
»Er hat
eine ganze Packung in einer Tasche auf dem Fußboden neben sich stehen gehabt. Ich
habe sie mitgehen lassen. Wenigstens die sollten ihm abgehen. Ein Stück habe ich
dann zu den Proben mitgenommen, ich wollte es einmal nachher rauchen. War wahrscheinlich
nicht sehr gescheit von mir. Aber ich konnte ja nicht wissen, dass Walters sterben
würde.«
Klang alles
logisch und überzeugend. Toni Haslinger hatte am selben Tag, an dem Walters ihn
aus dem Ensemble hinausgeworfen hatte, versucht, sich an ihm abzureagieren, es dann
aber doch bleiben lassen und nur ein paar Zigarren stibitzt, während Walters ein
vertrauliches Gespräch mit einer Dame führte. Mit Sonja Friedl? Oder mit einer anderen
vom Floridsdorfer Welttheater? Hatte er sich dann wirklich mit ihr getroffen? Auch
wenn der in Frage kommende Tag der Donnerstag und nicht der Freitag war, konnte
das von größtem Interesse sein.
»Kann ich
jetzt gehen?«, druckste Toni herum.
»Ach ja,
du musst da hinein, deine Aussage machen und dann zur Probe«, nickte Leopold. »Soll
ich mitkommen und etwas von deinen schlimmen Taten erzählen? Wie du dir aus Langeweile
einfach etwas nimmst, das dir nicht gehört?«
»Ich will
nicht ins Gefängnis«, platzte es plötzlich aus Toni heraus.
»Wer will
das schon? Da heißt es eben gescheit sein und vorher nachdenken.«
»Es war
doch alles nicht so schlimm«, verteidigte Toni sich. »Die USB-Sticks habe ich zum
größten Teil von den Lehrern. Da hat ein bisschen Geld rausgeschaut, wenn Schularbeitsangaben
drauf waren und so. Hie und da habe ich auch einmal etwas von einem Mitschüler genommen,
aber nur, wenn er sich vorher mit mir anlegen wollte und mich herausgefordert hat.
Geld habe ich nie jemandem geklaut, das schwöre ich.«
Leopold
sah, wie sich der sonst so unbeugsame Toni in ein Häufchen Elend aufzulösen begann.
»Und was war mit den Ohrringen?«, wollte er wissen.
»Die Friedl
hat ja ständig nur mehr davon geredet, wie sehr sie Angst hat, dass sie gestohlen
werden, weil sie sie doch immer vor der Probe heruntergeben muss. Das hat mich gereizt.
Sie hätte sie ja auch zu Hause lassen können, anstatt alle damit vollzuquatschen,
wo es doch keinen interessiert hat.«
»Das ändert
nichts an der Tatsache, dass du Dinge gemacht hast, die überhaupt nicht in Ordnung
sind, dass du anderen Leuten Schaden zugefügt hast«, maßregelte Leopold den jungen
Dieb. »Du gibst sofort alles zurück, was du noch hast, verstanden? Die Ohrringe
gleich als Erstes. Du wirst es schon so einrichten können, dass es so aussieht,
als seien sie verlegt worden. Dein Schauspielkollege, Herr Professor Korber, wird
darüber wachen, dass das geschieht. Dann sehen wir weiter. Weißt du eigentlich,
dass du wegen so etwas von der Schule fliegen kannst?«
Toni Haslinger
nickte stumm. Was sollte Leopold tun? Ihn verraten, sodass alles aufflog und der
Bursche Schwierigkeiten bekam? Für sein ganzes weiteres Leben vorbelastet war? Er
hatte da und dort etwas gestohlen, das war gar nicht fein und gegen das Gesetz.
Wahrscheinlich hatte er dem einen oder anderen geringfügig geschadet. Aber Leopold
erinnerte sich an zahlreiche ebenso dumme,
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