Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
abgesehen. Ihre Angst in letzter Zeit, dass sie
verfolgt wird, ihre Bitte an dich, sie zu begleiten: Du hast es für Überspanntheit
gehalten, aber ich denke, dass tatsächlich jemand hinter ihr her ist. Bis jetzt
hat sich für denjenigen nur noch nicht die richtige Gelegenheit ergeben, zuzuschlagen.
Aber es kann jederzeit so weit sein. Gestern war sie ja nicht mit im Kaffeehaus,
hatte wahrscheinlich zu Hause genug zu besprechen. Das war ihr Glück. Aber heute
…«
»Ich rufe
sie gleich am Handy an, dann wissen wir Bescheid.« Korber wählte die Nummer, stellte
dann aber enttäuscht fest: »Es ist abgeschaltet. Klar, bei der Probe müssen wir
es alle abdrehen. Offenbar hat sie noch nicht daran gedacht, es wieder einzuschalten.«
»Hast du
ihre Festnetznummer? Dann probier es bei ihr zu Hause«, ordnete Leopold an.
Frau Claudia
Riedl meldete sich. »Anette ist nicht zu Hause, Herr Professor Korber«, gab sie
Auskunft. »Sie hat sich nach der Probe nur kurz frischgemacht und ist dann wieder
fort. Sie hat mir erzählt, dass sie sich noch einmal mit Ihnen und den anderen im
Café Heller trifft, um ein paar Kleinigkeiten zu besprechen. Ist irgendetwas nicht
in Ordnung?«
»Nein, nein,
ganz im Gegenteil, Frau Riedl. Wir wollten nur schauen, ob sie auch ja nicht darauf
vergessen hat«, log Korber, um Claudia Riedl nicht zu beunruhigen. »Sie ist nicht
da! Was jetzt?«, fragte er Leopold dann aufgeregt.
»Die Sache
ist fatal. Ich habe so etwas Ähnliches befürchtet«, konstatierte Leopold kopfschüttelnd.
»Wenn sie eine Ausrede gebraucht hat, um noch einmal von daheim wegzukommen, stimmt
ganz sicher etwas nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass der Täter heute seine Chance
sucht und Anette fortgelockt hat, wahrscheinlich an einen Ort, der für einen Anschlag
wie geschaffen ist. Wenn uns nicht schnell etwas einfällt, haben wir verloren.«
»Hoffentlich
ist es nicht schon zu spät«, machte sich Korber mit einem Mal große Sorgen.
Leopold
schaute zum Fenster hinaus. »Wir könnten Glück haben«, befand er. »Es ist noch einigermaßen
hell. Vor Einbruch der Dunkelheit kann der Mörder nicht viel anfangen. Und ich glaube
nicht, dass er sie allzu weit von ihr zu Hause treffen möchte, weil sie vorsichtig
geworden ist und keine unnötige Weltreise machen wird. Denk nach, Thomas, denk an
ihren normalen Heimweg. Wo könnte es sein?«
»Und wenn
man sie mit dem Auto entführt?«
»Dann haben
wir sowieso keine Chance. Du sollst dir ein bisschen den Kopf zerbrechen, habe ich
gesagt, und nicht irgendwelche Szenarien entwickeln.«
Korber überlegte.
Kombinationsgabe war Leopolds Stärke, nicht seine, vor allem nicht unter Zeitdruck.
»Irgendwo entlang der Jedleseer Straße«, mutmaßte er. »Moment einmal, da ist doch
…«
»Der Spitzerpark,
mittlerweile Floridsdorfer Aupark genannt«, führte Leopold den Satz zu Ende. »Ein
abends einsam daliegender Rest ehemaliger Aulandschaft. Ein Weg, der rasch abseits
der belebten Straße führt. Ein malerisches Juwel, aber zugleich das ideale Umfeld
für ein Gewaltverbrechen. Dort müssen wir hin!«
»Was gibt
dir die Sicherheit, dass es dort passieren wird?«
»Was spricht
dagegen? Los, komm! Wir haben keine Zeit für stundenlange Grübeleien.«
»Augenblick!
Wir sollten vorher noch Juricek und Bollek verständigen«, forderte Korber.
»Warum denn
das?«, fragte Leopold entgeistert.
»Glaubst
du nicht, dass wir die Polizei einschalten müssen, weil sie einfach mehr Möglichkeiten
hat? Wir laufen einer Vermutung nach, die wir durch nichts beweisen können. Die
Sache kann sich ganz anders und vor allem woanders abspielen, als wir uns das denken.«
»Ja, glaubst
du, der Richard wird vor Freude in die Höhe springen und alle seine Leute alarmieren,
wenn ich anrufe? Der hat mir doch seine Freundschaft aufgekündigt«, rechtfertigte
Leopold sich. »Da ist nicht viel zu erwarten, der wird mich nicht ernst nehmen,
erst recht, wenn ich nichts beweisen kann. Und selbst wenn er etwas auf unsere Ahnungen
hält, kann er nicht auf Verdacht ganz Floridsdorf nach Anette absuchen lassen. Nein,
nein, wir müssen das schon selbst in die Hand nehmen.«
»Wie soll
das nur klappen?«, gab Korber zu bedenken.
»Ich bin
Gott sei Dank mit dem Auto da, es steht vorne auf dem Parkplatz«, erklärte Leopold.
»Das ist immerhin etwas. Und du wirst Anette einmal eine SMS schreiben und dann
in regelmäßigen Abständen versuchen, sie anzurufen. Vielleicht schaltet sie ihr
Handy doch wieder einmal ein.
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