Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
sein. Sie sieht ganz nett aus, glaube ich. Aber auch bei solchen Schülerinnen
heißt es, Strenge zu wahren! Sie sehen ja, wie sie uns jetzt auf der Nase herumtanzt.«
Korber enthielt
sich der Worte. Gerda Geißler zählte zu jenen Schülerinnen, denen er aufgrund der
von Marksteiner geforderten Behaltequote eine relativ leichte Prüfung zukommen hatte
lassen. Dadurch hatte sie sich noch einmal aus dem ärgsten Schlamassel befreien
können. Dass sie eine strengere Behandlung verdient hätte, stand außer Frage.
»Es geht
also nur um diese eine Rolle. Da muss doch was zu machen sein«, versuchte Ilona
Patzak, die anderen aufzumuntern.
»Es geht
wirklich nur um diese eine Rolle?«, meldete sich da Fritz Stössl aus dem Hintergrund.
»Immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her,
kann ich dazu nur sagen. Das Lichtlein heißt in diesem Fall Friederike Stössl. Ich
hab’ eine Tochter so zart, die würd’ gerne spielen den Part.«
»Ich kenne
die Friederike. Die stellt sich bestimmt nicht so ungeschickt an. Auf jeden Fall
geschickter als der Vater«, raunte Patzak Korber zu.
»Trotzdem:
Sie müsste die Rolle erst lernen, und dazu ist jetzt absolut keine Zeit mehr«, gab
Korber zu bedenken.
»Hindernisse
sind dazu da, um überwunden zu werden«, erklärte Stössl. »Friederike ist doch zurzeit
arbeitslos. Da habe ich ihr gesagt, sie soll nicht den ganzen Tag auf der faulen
Haut herumliegen, sondern etwas Vernünftiges tun, zum Beispiel eine Rolle in einem
Theaterstück lernen, zum Beispiel im ›Jux‹.«
»Und sie
hat zufällig gerade die eine Rolle gelernt, Fritz? Das kannst du jemand anders erzählen«,
blieb Korber skeptisch.
»Was heißt die eine Rolle«, triumphierte Stössl. » Alle hat sie gelernt, alle
weiblichen Rollen. Du hast genug Zeit, hab ich gesagt, knie dich hinein. Einmal
hat sie mich abgeprüft, dann wieder ich sie. Vor lauter Monologen haben wir vor
dem Schlafengehen immer einen richtigen Dialog gehabt.«
»Damit wir
dich richtig verstehen, Fritz: Deine Friederike kann den Text? Und sie könnte ab
morgen einspringen?«, dämmerte es Korber langsam.
»Was heißt
ab morgen? Ab heute schon, ein Anruf genügt. Denn was du heute kannst besorgen,
das verschiebe nicht auf morgen«, gab Stössl, der die Situation in vollen Zügen
genoss, bekannt.
»Die Statur
ist auch ähnlich. Vielleicht passt ihr sogar das Kostüm«, frohlockte Ilona Patzak.
Freddie
Glomser wusste noch nicht, was er von der neuen Situation halten sollte. »Herr Direktor,
haben Sie vielleicht …? Ich meine, darf ich …?«, fragte er vorsichtig.
»Einen Schnaps
trinken? Das wollte ich ohnehin gerade vorschlagen«, sagte Marksteiner, öffnete
einen Schrank und nahm eine Flasche Weinbrand mit fünf Gläsern heraus. »Ich glaube,
wir vertragen jetzt alle einen kräftigen Schluck. Auf jeden Fall müssen wir auf
unseren lieben Herrn Stössl und seine reizende Tochter anstoßen.«
»Ein Wagnis
wird es in jedem Fall«, gab Glomser zu bedenken. »Eine Umbesetzung so knapp vor
der Premiere, und das mit jemandem, der noch nie in seinem Leben auf der Bühne gestanden
ist …«
»Wer nicht
wagt, gewinnt nicht«, deklamierte Stössl, dann kam ihm in der ganzen Aufregung ein
ziemliches Bäuerchen aus.
»Stössl!«,
mahnten ihn Patzak und Korber wie aus einem Mund, aber keiner der beiden meinte
es wirklich böse.
*
Premieren gelingen immer, vor allem,
wenn die Zeit davor von Katastrophen geprägt war. Der ›Jux‹ wurde trotz der schlechten
Vorzeichen ein voller Erfolg. Friederike Stössl hatte bis zum Schluss mit Textunsicherheiten
gekämpft – kein Wunder bei den vielen Rollen, die sie gelernt hatte und nun zeitweilig
durcheinander brachte – ihre Sache dann aber schließlich großartig gemacht. Abgesprungen
war niemand mehr, und jeder brachte im entscheidenden Augenblick die nötige Konzentration
auf die Bühne.
Nun saß
man im Café Heller beisammen und genoss es, den Ballast langsam von sich abfallen
zu lassen. Man aß und trank in beschwingter, gemütlicher Runde. Sonja Friedl zeigte
jedem, der es wollte, ihre Ohrringe, die sich schließlich seltsamerweise doch genau
bei ihrem Kostüm wieder gefunden hatten. Freddie Glomser lobte das gesamte Ensemble
über den grünen Klee und gestand: »Ich war so nervös, dass ich mir tatsächlich Schnaps
in meinen Flachmann eingefüllt habe. Ich hab die ganze Zeit darauf gewartet, dass
irgendwas passiert, aber nix is g’wes’n. Am Ende hab sogar
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