Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
nicht nehmen, zu sagen. »Seien wir froh,
dass du dich noch von Herrn Korber hast überzeugen lassen. Diesmal bist du ganz
schön auf meinen Nerven herumgetrampelt. Aber was soll’s, ich vergesse leider viel
zu oft, dass ich dich nur allzu gut kenne. Ich bin dir nicht mehr böse, mitgeholfen
hast du ja letztendlich, den Mörder zu stellen. Vielleicht sollte ich mich weniger
aufregen und einfach strenger zu dir sein. Das bringe ich halt dann auch nicht so
richtig fertig. Eins muss man dir immerhin lassen: Du hast die ganze Geschichte
beinahe lückenlos durchschaut, während ich gehofft habe, dem Täter dadurch auf die
Spur zu kommen, dass ich Anette beschatten ließ. Damit bin auch ich richtig gelegen,
wenngleich uns Anette selbst mit ihrer Hypersensibilität am Schluss beinahe einen
Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Der Fall ist jedenfalls so gut wie abgeschlossen.
An den Zusammenhängen werde ich noch ein bisschen feilen müssen, aber dazu ist morgen
auch Zeit.«
»Die Zusammenhänge
liegen klar auf der Hand«, meldete sich Leopold da wieder bester Stimmung zu Wort.
»Ich habe alles von Nestroy.«
»Von Nestroy?«,
reagierte Juricek überrascht.
»In letzter
Zeit weiß er immer alles von Nestroy. Das ist sein neuer Spleen«, klärte Korber
den Oberinspektor auf.
»Es ist
zunächst einmal völlig klar, dass man sich an einen Stückeschreiber halten muss,
wenn man den Mord an einem Regisseur aufklären will«, holte Leopold aus. »Nestroy
hat mir wichtige Tipps auf den Weg mitgegeben, und er hat recht behalten: Schauspielerei,
Geld und Jux waren die entscheidenden Punkte bei diesem Fall. Punkt eins, Schauspielerei :
geklärt. Man hat mich auf schändlichste Weise zum Narren gehalten und dadurch ein
völlig falsches Bild vom Zeitpunkt und Ablauf des Mordes entstehen lassen. Punkt
zwei, Geld : auch geklärt. Es ging letztendlich um das Geld des verstorbenen
Walter Kalbfleisch, den ich der Einfachheit halber weiterhin Herwig Walters nennen
möchte, und um den Neid betreffend seine Alleinerbin Anette Riedl. Punkt drei, Jux :
von mir so gut wie geklärt. Denn so, oder zumindest so ähnlich, hat es sich abgespielt:
Fangen wir
beim Anfang an. Walters kommt aus Italien zurück nach Wien. Er ist in einer seltsamen
Stimmung. Es geht ihm körperlich nicht besonders. Vermutlich hat ihn der Arzt zu
einschneidenden Maßnahmen seine Gesundheit betreffend zu überreden versucht, vielleicht
sogar zu einem mehrtägigen Check im Spital. Aber Walters hört nicht darauf. Statt
sich die Sache zu Herzen zu nehmen, trinkt er mehr, als für ihn gut ist und sucht
eine Beschäftigung, um sich nicht ganz in Selbstmitleid zu ertränken.
Er erfährt
– wahrscheinlich über diesen Wondratschek – von einer Theatertruppe, die vom Floridsdorfer
Gymnasium organisiert wird. Er weiß, dass seine Tochter in dieses Gymnasium geht,
und das mag sentimentale Gefühle in ihm wachrufen. Also nimmt er den Job an, zunächst
möglicherweise nur in der Hoffnung, dass sie ihm während der Probenarbeit einmal
über den Weg läuft und er sie sehen kann. Aber nein, sie spielt sogar mit! Unter
Umständen fasst er nun den Plan, sie irgendwie, ohne sich ihr gegenüber zu erkennen
zu geben, wissen zu lassen, dass sie ihn nach seinem Tod, den er nicht allzu weit
entfernt sieht, beerben wird.
Jetzt kommen
auch Elfriede Bachmann und Sven Biedermann ins Spiel. Die Bachmann kennt er von
ihrer Zeit als Schauspielschülerin, wo er wahrscheinlich schon ein Auge auf sie
geworfen hat. Sie wird zur idealen Gefährtin für ein lockeres Sexabenteuer. Aber
natürlich will sie bald etwas von ihm dafür, erhofft sich vielleicht ein lukratives
Engagement als Schauspielerin auf sein Betreiben – oder Geld. Wahrscheinlich liegt
sie ihm ständig damit in den Ohren. Biedermann ist er in dem Verein für anonyme
Bekenntnisse begegnet, wo er für den Fall seines Ablebens mit einer prächtig inszenierten
Lebensbeichte vorsorgen möchte. Dieser Mensch ist ihm sofort unsympathisch, außerdem
hält er ihn für dumm. Genauso dumm wie seine Flamme, Sonja Friedl.
Der Wunsch,
sich seiner Tochter anonym mitzuteilen, wird fallen gelassen und plötzlich zum Ausgangspunkt
für einen teuflischen, für Walters schließlich tödlichen Jux. Ihm fällt die zufällige
Namensgleichheit auf: Riedl und Friedl . Und er spinnt die Sache weiter.
Elfriede Bachmann nennt sich auch ›Friedl‹. Mir ist aufgefallen, dass Peter Pribil
sie bei uns im Kaffeehaus und auch heute nach der Probe
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