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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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seit
Jahren leer gestanden.«
    »Und jetzt soll es also ein Pornopalast
werden.«
    Ich hatte erwartet, daß ihn das ärgern
würde, aber er zuckte nur mit den Schultern. »Ich gebe nicht vor, etwas
Besseres zu sein, als ich bin. Es ist ein Geschäft, das ist alles.«
    In diesem Augenblick wurde die Tür
hinter mir geöffnet. Ich drehte mich um und sah einen schlaksigen Jungen mit
glattem schwarzen Haar dort stehen. »Mr. Knox, mit dem Projektor stimmt was
nicht«, erzählte er.
    »Himmel, Arnie, und jetzt?«
    Der Junge machte eine unbestimmte
Geste; er sah aus, als wäre er halb stoned. »Ich weiß nicht. Können Sie
kommen?«
    »Eine Minute noch.« Knox stand auf. Der
Vorführer ging, und Knox lächelte mir zu und breitete theatralisch die Arme
aus. »Sehen Sie, ich bin nicht der böse Bube, für den mich alle halten. Sie
sollten mich besser kennenlernen. Sie sollten mal nach Nicasio kommen — die
Jukebox betätigen, ein bißchen spielen. Ich mache Sie sogar mit Babe the Blue
Ox bekannt.«
    Ich wollte ihn nicht beleidigen, für
den Fall, daß ich später noch weitere Informationen von ihm benötigen sollte,
und so sagte ich: »Möglicherweise komme ich eines Tages noch auf Ihr Angebot
zurück, Mr. Knox, wer weiß. Sieht so aus, als müßte man Babe sehen.«
     
    Weder Bruder Harry noch Jimmy Miiligan
waren da, als ich aus dem Theater kam, und die Menschen auf der Straße
bestanden aus der üblichen zerlumpten Gesellschaft. Noch einmal sah ich auf die
Uhr, und da ich immer noch Zeit hatte, ehe ich nach San Rafael fahren mußte,
kehrte ich ins Globe Hotel zurück in der Hoffnung, mit Sallie Hyde reden zu
können.
    Ich mußte nicht lange nach ihr suchen.
Sie stand mitten in der Halle und hielt einen der Zweige des Weihnachtsbaumes
fest. Mary Zemanek stand in der Tür zu ihrer Wohnung, und zwei Vietnamesenkinder
— Vorschulalter — spähten hinter dem Tresen hervor.
    Der kleine Plastikbaum war zerrissen
worden, Zweige und Schmuck lagen über den Boden verstreut. Die Päckchen sahen
aus, als hätte jemand auf ihnen herumgetrampelt. Die beiden Frauen und die
Kinder waren sehr still.
    »Was ist denn hier passiert?«
erkundigte ich mich.
    Sallie drehte sich langsam um. In ihren
Augen standen Entsetzen und Kummer. »Jemand...« Mit dem Zweig machte sie eine
schwache Bewegung.
    Mary Zemanek räusperte sich. »Das kommt
davon, wenn man in einer Umgebung wie dieser eine solche Versuchung aufbaut.«
Doch trotz der strengen Worte konnte ich spüren, daß sie im Innern ebenso
erschüttert war.
    »Wann ist das passiert?«
    Sallie schüttelte den Kopf.
    »Es muß innerhalb der letzten Stunde
gewesen sein«, antwortete Mary. »Seit Sie und diese Frau vom Refugee Center
hier gewesen sind.« Sie machte eine Pause und wandte sich dann an Sallie. »Ich
verlasse mich darauf, daß Sie dafür sorgen, daß das hier aufgeräumt wird.«
    Die dicke Frau nickte bloß. Mary ging
in ihre Wohnung zurück. Ich sah mich nach den Kindern um, aber sie waren
verschwunden.
    »Sie glauben nicht, daß sie...?« Ich
deutete auf Marys Tür.
    »Nein.« Sallie seufzte und fing an, die
Zweige aufzuheben. »Mary hatte den Baum ebenso gern wie wir alle; sie wollte
nur nicht verantwortlich sein.«
    Ich kniete mich hin und half ihr. »Wer
denn dann?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Dieselbe Person, die versucht, Sie
alle zu erschrecken?«
    »Vielleicht.«
    »Ich habe heute morgen etwas gefunden,
im Keller. Ein altes, olivgrünes Laken mit Löchern für die Augen darin. Jemand
könnte es getragen haben, um damit diese Schatten an die Wände im Treppenhaus
zu werfen.«
    Sallie sammelte weiterhin den
Baumschmuck auf.
    »Haben Sie vielleicht irgendwann einmal
jemanden mit diesem Tuch gesehen?«
    Sie machte eine Pause, schüttelte dann
den Kopf. »Nein.«
    Ich fegte ein paar Scherben aus rotem
Glas zusammen und suchte dann nach einem Behälter, um sie hineinzuwerfen.
»Werden Sie einen neuen Baum bekommen?«
    »Ich weiß nicht.« Sie richtete sich auf
und legte die Teile, die sie aufgehoben hatte, auf den Empfangstresen. »Ich
habe dem Hotel diesen Baum geliehen; es schien viel besser, ihn zu teilen, als
ihn nur in meinem Zimmer zu haben. Aber jetzt wünschte ich, ich hätte das nicht
getan. Ich hatte den Baum gern. Ich habe ihn seit Jahren gehabt. Seit... seit
ich in das Hotel gekommen bin. Wer macht so etwas nur?« Aus ihren Worten klang
Resignation, die an Verzweiflung grenzte.
    Ich schob die letzten Trümmer zusammen,
vorsichtig darauf bedacht, mich nicht zu schneiden.

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