Nette Nachbarn
Platte umgaben. Ich lächelte — so
teuflisch wie er vorher, hoffte ich. Dann drehte ich mich um und verließ das
Haus.
DREIZEHNTES
KAPITEL
Als ich in die Stadt zurückkam, fuhr
ich als erstes ins Tenderloin und parkte auf demselben Platz in der Eddy Street
wie schon zuvor. Ein feiner Sprühregen vernebelte die Autoscheiben, aber noch
regnete es nicht stark; ich ging zu dem Gebäude, in dem sich Carolyn Buis Büro
befand, machte einen kleinen Umweg, um einen Blick auf das Crystal Palace
Theatre zu werfen. Nachdem ich mit Knox gesprochen hatte, war ich neugierig
geworden.
Es handelte sich um ein massives,
weißes Gebäude, dessen Fassade schmutzig verschmiert und angefressen war. Die
Markise über dem Eingang, wo früher Hunderte von farbigen Glühbirnen geleuchtet
hatten, war jetzt dunkel, die Birnen zerbrochen. Um das Dach verlief ein Sims
mit Wasserspeiern und anderen phantastischen Biestern, aber viele von ihnen
waren schon zerbröckelt, und über dem Fußweg war ein Gerüst errichtet worden,
um die Fußgänger zu schützen. Das Gerüst selbst war gepflastert mit alten
Zetteln wegen verschwundener Hunde, Aufrufen zu politischen Versammlungen und
anderen Veranstaltungen. Auch Graffitis waren dort versprüht: Schwule an die
Macht; kein Vietnam in Zentralamerika; Pat liebt Walt; Tod für alle. Ich
starrte das letzte an, schüttelte dann den Kopf. Letztendlich würde der Wunsch
des Graffiti-Künstlers sich ja doch erfüllen.
Ähnlich schwarze Gedanken verdüsterten
meine Stimmung, als ich weiter den feuchten Bürgersteig entlangging. Jetzt
hatte es richtig angefangen zu regnen, und ich kam an Pennern vorbei, die in
Hauseingängen Schutz suchten, manchmal auch unter den Bänken, die als Teil des
Verschönerungsprojekts der Market Street hier aufgestellt worden waren. Die
wenigen Fußgänger, die es gab, hasteten dahin, von Schirmen oder Hüten gegen
den Guß geschützt. Busse und Taxis rasten vorbei, wirbelten Wasserwellen auf.
Als ich zu dem alten Haus kam, in dem sich das Refugee Assistance Center befand,
stürzte ich in die Halle, riß meinen schlappen, roten Hut vom Kopf und wischte
über meine Wildlederjacke, die jetzt aussah wie ein Teil einer alten gefleckten
Kuh.
Ein Sicherheitsbeamter an der Rezeption
notierte sich meinen Namen und rief oben an. Dann wies er auf die Reihe von
Fahrstühlen im Hintergrund. Erleichtert, weil Carolyn noch im Büro war, fuhr
ich in den dritten Stock und ging dort den Flur bis zum Ende. Der Empfangsraum
des Centers war fröhlich — jede Wand war in einer anderen fröhlichen Farbe
gestrichen und mit Postern behängt — und Kinderspielzeug lag auf dem ovalen
Fleckerlteppich verstreut. Ich war schon früher während der Geschäftszeit hier
gewesen und hatte zugesehen, wie die Flüchtlingskinder herumkrabbelten und
glücklich spielten, während ihre Eltern sich mit den Sozialarbeitern des
Zentrums über so lebenswichtige Dinge wie Essen, Unterkunft und medizinische
Versorgung unterhielten.
Carolyns Stimme rief mich aus einem der
Zimmer, die von der Empfangshalle abgingen, und ich ging zu ihr. Sie saß an
ihrem Schreibtisch, die Füße auf eine herausgezogene Schublade gestützt, das
zarte, ovale Gesicht müde und verzerrt. »Ich hatte dich schon fast aufgegeben«,
meinte sie.
Ich zog die Jacke aus und hängte sie
zum Trocknen über einen Stuhl. »Ich hoffe, du bist nicht meinetwegen hier
geblieben. Wenn du nicht im Büro gewesen wärest, hätte ich dich daheim
angerufen.«
»Nein, wie ich schon am Telefon gesagt
habe, ich mußte ohnehin noch arbeiten.«
Ich warf einen Blick auf meine Uhr und
stellte überrascht fest, daß es fast neun war. Und dann fiel mir die Nachricht
ein, die ich für Hank hinterlegt hatte. »Mein Gott! Darf ich mal telefonieren?«
Sie schob mir den Apparat über den
Schreibtisch hinweg zu.
Schnell wählte ich die Nummer von All
Souls. Jemand, dessen Stimme ich nicht kannte, hob ab und ging dann, um Hank zu
holen. Als der an den Apparat kam, klang er so wenig besorgt, als wäre ich nur
eben zu einem Picknick mit der Sonntagsschule unterwegs gewesen.
»Ich wollte dir nur sagen, daß ich in
Ordnung bin«, sagte ich.
»Häh?«
»Ich bin in Ordnung. Du brauchst den
Sheriff nicht zu benachrichtigen.«
»Weswegen?«
»Ich habe dir eine Nachricht
hinterlassen — «
»Was für eine Nachricht?«
»Hast du sie nicht bekommen? Ich habe
sie gegen halb fünf unter der Tür zu deinem Büro durchgeschoben.«
»Oh. Da war ich nicht im Büro.
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