Nette Nachbarn
sagte Don. »Und soviel ich
weiß, ging für ihre Leute im Tenderloin bis vor kurzem alles gut. Aber jetzt
gibt es Probleme. Wo haben die angefangen?«
»Im Globe Hotel. Das ist ein hübsches
Apartment-Hotel, und es ist noch hübscher, seit unsere Leute dort eingezogen
sind und den anderen Mietern geholfen haben, es herzurichten. Wir dachten, wir
hätten Glück, aber dann...« Carolyns Stimme brach, und sie sah mich an.
»Aber dann waren Sie gezwungen, einen
Privatdetektiv anzuheuern«, beendete Don geschickt. »Und jetzt, liebe Leute,
verlassen wir Carolyn für eine Weile und unterhalten uns mit dieser Lady. Ja,
ihr habt richtig gehört, Leute, sie ist eine Lady. Frauen können heutzutage
alles tun, und Sharon McCone ist in ihrem Beruf besser als viele andere. Sie
ist bei der All Souls Legal Cooperative angestellt, draußen in Bernal Heights,
und sie hat in der Vergangenheit ein paar harte Nüsse geknackt. Sie kennt ihren
Job. Lassen wir Sharon also von ihrem Fall erzählen.«
Bis Don das Wort ›Privatdetektiv‹
sagte, war ich von Carolyns scheinbar müheloser Erzählung gefesselt gewesen.
Jetzt wurde mir kalt, von der Nase bis zu den Zehenspitzen, trotz der Hitze in
der Kabine. Ich dachte an Dons Rat und holte tief Luft. Durch die Scheibe sah
ich, wie Don mir zulächelte. Carolyns kleine Hand drückte meinen Arm. Ich zwang
mich zum Sprechen.
»Danke, Don. Es hat mich gefreut, daß
du gesagt hast, ich wäre in meinem Beruf besser als viele andere. Aber im
Augenblick stecke ich in einem Fall, der eine echte Herausforderung für mich
ist. Vor ein paar Tagen hat Carolyn mich gebeten, ins Globe Hotel zu kommen,
und dort habe ich eine wundervolle Familie kennengelernt, die Vangs. Es sind
neun Personen, und sie wohnen in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Ihnen gehört ein
Restaurant in der Taylor Street, und jeder von der Familie, der alt genug ist,
arbeitet dort. Es sind wirklich eindrucksvolle Menschen, sie sind von derselben
Art wie die Leute, die auch dieses Land aufgebaut haben. Und es spricht für
sich, daß die anderen Bewohner des Hotels sie gewählt haben, um mit mir über
das Problem zu sprechen.«
Don grinste jetzt breit. Ich mußte es
wohl gut machen.
Ich fuhr fort. »Zuerst erschien mir das
Problem einfach. Jemand erschreckte die Kinder im Treppenhaus. Brüllte sie an.
Heulte. Albernes Zeug. Dasselbe passierte im Heizungskeller. Und von Zeit zu
Zeit legte jemand den Hauptschalter um und verursachte einen Stromausfall. Ich
sah mich um, konnte aber nicht ausmachen, wer dahintersteckte. Vermutete aber,
daß er irgendwann aufgeben würde, wenn keine Panik ausbrach.«
Don schaltete sich ein. »Aber was ist
dann passiert, Sharon?« Sein Gesicht glühte. Ich schien es sogar besser als gut
zu machen!
»Ein junger Mann, der im Hotel wohnte,
wurde ermordet. Sein Name war Hoa Dinh, und er war ganze sechzehn Jahre alt.
Hoa hatte einen langen Weg von Vietnam in die USA hinter sich, und er hatte
viel gelitten. Aber in diesem Land hatte er ein neues Leben angefangen, und
dann starb er in einem kalten Keller.« Ich konnte hören, wie meine Stimme vor
Emotion brach, fühlte, wie sich Carolyns Finger fester in meinen Arm preßten.
Ich holte noch einmal tief Luft, ehe
ich fortfuhr. »Aber das ist im Moment nicht das einzige Problem. Die Polizei
bearbeitet den Mord an Hoa, und sie wird ihn aufklären.« Das war mein Geschenk
an Greg, für den Fall, daß er von der Sendung erfahren würde. »Das eigentliche
Problem betrifft Hoas besten Freund, Duc Vang. Duc — man schreibt es D-u-c — wird
seit gestern nachmittag vermißt. Er ist noch nie von zu Hause weggeblieben, und
seine Familie befürchtet, ihm könnte etwas zugestoßen sein — etwas, das mit der
Sache im Hotel zusammenhängt. Und deshalb sprechen wir jetzt zu Ihnen...« Ich
stockte, unsicher, wie ich die gesichtslosen Leute da draußen anreden sollte,
griff dann auf Dons Ausdrucksweise zurück, »zu Ihnen allen da draußen. Wir
brauchen Hilfe bei der Suche nach Duc Vang.«
Don schaltete sich erneut ein. »Können
Sie ihn beschreiben, Sharon?« Er grinste, hielt den Daumen nach oben.
Verdammt, ich war gut!
Ich war so gut, daß ich mich fast
mitreißen ließ und vergaß, ihm zu antworten.
»Duc«, sagte ich mit geziemender
Bescheidenheit, »ist ungefähr einsfünfundsechzig groß. Er hat schwarzes Haar — einen
Bürstenschnitt, der jetzt herauswächst. Es sieht buschig aus, steht hoch. Er
ist schlank und kleidet sich nach vietnamesischem Stil in Kittel und
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