Nette Nachbarn
tat — in gewisser Weise maß er
den Puls von KSUN. Er hatte auch gesagt, daß es äußerst unterhaltsam sein
könnte, es dann zu beobachten, wenn ein Discjockey von dem Marihuana geraucht
hatte, das der Techniker ihm während seiner langen Schicht am Mikro anbot.
Dieser namenlose Techniker war es auch, der Bier und Wein und Hasch-Kekse
brachte, und ich fand es interessant zu hören, daß die unprofessionellen
Entgleisungen der Discjockeys immer ihm zugeschoben wurden.
Ein wenig abseits vom Hauptteil des
Studios befand sich eine Kabine, ungefähr vier auf zehn Fuß groß, mit einem
großen Fenster, durch das man die Konsole sehen konnte. Don führte uns jetzt
dorthin. »Hier werdet ihr während der Sendung sitzen«, erklärte er. »Ich bin
draußen am Tisch, und wir können über diese Kopfhörer miteinander reden.« Er
deutete auf zwei schwere Kopfhörer, die auf dem Tisch unter dem Fenster lagen,
zusammen mit Mikrofonen mit Schaumgummi-Spitzen und einem zweiten Telefon mit
mehreren Leitungen.
Ich legte meine Tasche auf einen der
Stühle mit der geraden Lehne und schaute zum Tisch, der von einem Teppich
bedeckt war, um Geräusche zu dämpfen.
Don fuhr fort: »Ich fürchte, es wird
hier drin ein bißchen heiß und stickig, wenn wir erst auf Sendung sind.« Er
grinste dümmlich und wies auf einen Ventilator in der schalldichten Wand. »Wir
haben ein Ventilationssystem, aber es ist so laut, daß wir nicht wagen, es zu
benutzen, wenn wir auf Sendung sind.«
»Ich glaube, Sharon und ich sind bereit
zu leiden«, meinte Carolyn. Sie sah sich um, wies dann auf ein Paneel mit
bunten Lichtern neben der Uhr an der Wand über dem Fenster. »Was zeigen die
an?«
»Das sind die Lichter für die Telefone.
Die blauen sind Fremdleitungen — Anrufe von draußen. Die grünen sind
Hausgespräche.«
»Und die roten?«
»Das rote Telefon im Haus. Wenn das
aufleuchtet, dann hast du wahrscheinlich ›Scheiße‹ über den Äther gebrüllt, und
der große Boß ruft an, um dir mitzuteilen, daß du von der Schützenbrigade
exekutiert werden wirst.«
Carolyn lachte. Ich war zu nervös, um
mehr als ein schwaches Grinsen zustande zu bringen.
Don streckte die Hand aus und berührte
ein kleines Metallkästchen, das auf dem Tisch stand. »Das ist die talk-back
Box. Wenn du auf den Knopf drückst, kannst du direkt in meine Kopfhörer
sprechen, durch das Mikro. Benutzt das, wenn ihr mir etwas sagen wollt, was die
Zuhörer nicht hören sollen.«
»Gut«, sagte Carolyn. »Wenn Sharon ihre
Bitte dann vorgetragen hat, werden also die Telefonlämpchen zu blinken
anfangen?«
»Hoffentlich. Manchmal muß man lange
warten. Zum Glück kann ich dir in der Zwischenzeit Fragen stellen, ich muß also
nicht so viel Zeit allein füllen. Bei einer von meinen Live-Sendungen vor ein
paar Monaten hat niemand angerufen, stundenlang, so kam es uns vor. Ich
plapperte und plapperte, aber keiner der Interviewpartner hat mitgespielt, und
bald wußte ich nicht mehr, was ich noch sagen sollte. Alle wurden immer
nervöser, und als schließlich eine der Leitungen aufleuchtete, habe ich mich so
darauf gestürzt, daß ich den Anrufer verschreckt habe. Er hat aufgelegt.«
Carolyn erkundigte sich: »Werden die
Anrufe nicht überprüft, ehe du sie annimmst?«
»Nein. Und das ist ungewöhnlich. In den
meisten Sendern nehmen die Discjockeys die Anrufe nicht selbst entgegen — man
will die offensichtlich Verrückten ausschalten. Aber hier bei KSUN antworten
wir direkt. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Angewohnheit ist;
neulich nachmittag hatte ich einen obszönen Betrunkenen, und ich habe ihn nicht
schnell genug aus der Leitung geworfen. Aber aus einem unerfindlichen Grund
scheint das Management sogar noch stolz darauf zu sein, die Anrufe vorher nicht
zu überprüfen.« Don zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. »Noch
fünfzehn Minuten bis Sendezeit. Weißt du, was du zu sagen hast, Baby?«
»Genau das, was wir nach dem Essen
besprochen haben.«
»Gut. Wenn du nervös wirst und merkst,
daß deine Stimme zittert oder bricht, dann hole einfach ein paarmal tief Luft.
Keine Angst vor Pausen; niemand erwartet von dir, daß du perfekt bist.« Er
legte einen Arm um mich und zog mich kurz an sich.
Ich schüttelte den Kopf, erstaunt über
sein Vertrauen. Andererseits hatte ich ja auch Vertrauen, wenn es darum ging,
einen schwierigen Zeugen zu vernehmen oder mich in einer gefährlichen Situation
bei meiner eigenen Arbeit auf jemanden verlassen zu müssen. Das
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