Neu-Erscheinung
Anstalten, meinen Höflichkeitsbesuch nun zum Ende zu bringen.
»Zwei, drei Tage, dann bin ich wieder an Bord, Herr Litten.«
»Kein Problem, werden Sie erst mal gesund, wir schaffen das auch so.«
Damit hatte ich die Herz-Kreislauf-Insuffizienz erneut befeuert. Frau Löffler wurde erst puterrot und dann mit einem Schlag kalkweiß. Jetzt interessierten sich die Zimmerkolleginnen für ihr Schicksal. Frauen haben für solche Momente einen siebten Sinn. Das Drama-Gen, das bei uns nur rudimentär vorhanden ist.
Mit meinem unreflektierten Satz hatte ich Frau Löffler klargemacht, dass ihre Präsenz am Arbeitsplatz ohne jeden Mehrwert war. Ob sie kam oder nicht, war im Grunde egal, es lief auch ohne sie. Himmel, was muss die ambitionierteste und treueste Sekretärin aller Zeiten in diesem Moment gedacht haben. Ich hatte ihr den Teppich aus Hingabe, Pflichterfüllung und stiller Bewunderung des Chefs unter den Füßen weggezogen. Nur gut, dass Frau Löffler lag. So weiß wie das Laken.
»Gut«, hauchte sie, und in alten Schwarzweißfilmen wäre jetzt der Moment der Lebensbeichte gekommen, an deren Ende der Beichtende die Augen schließt und nie wieder öffnet. Frau Löfflers Zimmergenossinnen entstammten der Schwarz-Weiß-Zeit und erwarteten nun den Klassiker. Schön, dass das Leben nicht immer ein Film ist.
»Frau Löffler, was wäre ich ohne Sie?«
Die Farbe schoss in ihr Gesicht zurück und hinterließ zwei rosa Wölkchen auf ihren Wangen.
»Ehrlich?«
»Ehrlich.«
Der Gallenstein verzog sich enttäuscht auf den Balkon, und die Meisterin der Gardinen schaltete aus dem ungemütlichen Gipsbett den Fernseher an, um wenigstens dort ein paar hübsch bebilderte Klischees zu finden.
»Wann kommt eigentlich diese Bella Gabor bei der Barbara Freitag?«
»Morgen Abend.«
»Muss ich gucken.«
Ich auch, ich auch ...
DIE MESSIAS Folge 14
Jetzt also Hildesheim. Die junge Großstadt in landschaftlich schöner Lage, was übersetzt so viel heißt wie: nichts los, aber theoretisch möglich, fragt sich nur wann und wo.
Die kleine Pension mit Blick auf die Michaeliskirche hat an unserem Zimmer eine Feuertreppe, die direkt zum Hof führt, von dem es nur einen Katzensprung zum nächsten Taxistand ist. Auf solche Dinge muss ich seit einiger Zeit achten.
In Soest, einer kleinen Stadt in Westfalen, die so schön ist, dass ich am liebsten geblieben wäre, gab es keine Feuertreppe. Unnötig zu erwähnen, dass auch dort eine Untergruppe meiner »Fans« auf mich wartete und erst dann bereit war, den Flur vor meinem Zimmer zu räumen, als ich drohte, den Möhnesee zu teilen. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas geteilt, schon gar nicht einen Stausee, aber das wussten die Herrschaften zum Glück nicht.
In Hildesheim sind Resi und ich alleine. Warum auch immer, aber hier sind wir noch nicht bekannt, und ich habe ein großes Interesse daran, dass es so bleibt.
Es gibt auch schon kleinere Fortschritte, was das Zusammenleben mit Resi angeht. Seit Soest verzichtet sie auf die ganz große Etikette und spricht mich nur noch mit einem kleinen Räusperer an, der signalisieren soll, dass sie etwas von mir will. Resi ist lernfähig, was mich extrem freut.
»Mhmrrrr?«
»Was is’, Resi?«
»Müssen wir nicht eigentlich auch mal in die Kirche?«
Ich schaue sie an und muss feststellen, dass diese Frage gar nicht so doof ist.
»Da hinten ist eine sehr schöne Kirche.«
Resi zeigt aus dem Fenster auf die Michaeliskirche und wartet geduldig auf eine Antwort.
»Ich denke, das sollten wir ... bei Gelegenheit mal tun.«
Resi nickt und setzt sich auf das Bett, wie sie es immer tut, wenn wir ein neues Quartier beziehen.
»Mhmrrrr?«
»Ja?«
»Wie geht es denn nun eigentlich mit uns weiter?«
Sie verblüfft mich und stellt nun wirklich eine berechtigte Frage nach der anderen. Werden wir jetzt nun von Stadt zu Stadt ziehen, irgendwann auch mal in den Wäldern kampieren, weil es in der Zivilisation zu gefährlich wird? Werden wir dieses Land verlassen oder lieber gleich ganz den Kontinent wechseln? Was soll ich überhaupt mit Resi machen?
Mit ihrer einfachen Frage schüttelt sie mich komplett durch. So nachhaltig, dass ich keine Antwort finde, sondern nur eine kleine Hilfe.
»Wir gehen in die Kirche.«
Ich, Bettina und das Ende der Messias
»Das ist jetzt aber doof.«
Bettina war wirklich enttäuscht und legte die Zeitung zur Seite. Mittlerweile waren einige Wochen vergangen, und es machte mir zunehmend Freude, sie bei der
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