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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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sich kein neuer Befund aus dem Inneren der Hütte. Ohne Ansgar hätte ich den Rückzug angetreten und anonym die Polizei gerufen. Dann hätte ich in aller Ruhe auf den Pressebericht der Beamten gewartet, um schlagartig in professionelle Neugier zu verfallen. Was, eine mumifizierte Leiche im Brömeler Forst, weiß man schon mehr, wie lange hat die Leiche dort gelegen, ist die Identität bereits festgestellt, wer hat die Leiche entdeckt usw.
    Leider mussten wir uns den Bericht selber machen. Ich löste mein Ohr und dachte nach.
    »Paul?«
    »Ja?«
    »Was denkst du?«
    »Ich bin gerade dabei.«
    »Wobei?«
    »Beim Denken.«
    Ansgar dachte ebenfalls nach, was ihm anzusehen war. Aber in seinem Kopf gab es meiner Einschätzung nach nur einen einzigen Gedanken, und der trug die Überschrift: SCHULD !
    »Wie hast du die Tür zugemacht?«
    »Wie meinst du das?«
    Ich seufzte, rollte mit den Augen und hielt ihm seine Angespanntheit zugute.
    »Hast du abgeschlossen?«
    »Natürlich, meinst du, ich bin doof?«
    Ich antwortete nicht.
    »Hier ist der Schlüssel, falls du das auch noch wissen willst.«
    Mit einem schnellen Blick zum Schloss bedeutete ich ihm, die Tür zu öffnen.
    »Sicher?«
    »Mir ist nichts Besseres eingefallen.«
    Ansgar schob den Schlüssel ins Schloss. Während sich unser Puls beschleunigte, wagten wir kaum noch zu atmen. Ein letzter Blick zwischen uns beiden, ein beherztes, motivierendes Zunicken, dann drückte Ansgar die Klinke herunter. Wir schauten ins Dunkle.
    »Du bist tot!«
    Eine Halogenlampe tauchte die Hütte mit einem Schlag in gleißendes Licht. Mindis saß auf dem Bett und schaute uns mit zusammengekniffenen Augen an. Er hatte Mühe, sich an das Licht zu gewöhnen, und vielleicht klang seine Drohung auch deshalb so ernst, dass wir keinerlei Zweifel an ihrer Gültigkeit hatten.
    »Vielleicht sollten wir nochmal reden, Dr.Mindis?«
    »Du bist tot«, wiederholte der Gynäkologe, der wie seine Kollegen einen Eid geschworen hatte, Leben zu retten.
    Ganz langsam stand er auf, und wir wichen einen Schritt zurück.
    »Warum hast du ihn nicht gefesselt?«, fragte ich Ansgar leise.
    »Wie denn?«
    Ich lenkte seinen Blick auf die Handschellen am Achtquadratmeterbett. Ansgar zuckte mit den Schultern.
    Jetzt erst erkannte Mindis auch mich. Und ich hatte mich wirklich nicht in den Vordergrund gedrängt.
    »Ach nee, der Herr Litten.«
    »Herr Mindis, Sie werden sich jetzt bestimmt fragen, warum ich ...«
    »Du bist auch tot, Litten!«
    »Ich denke nicht.«
    »Ich auch nicht«, pflichtete mir Ansgar bei.
    »Ich werde jetzt zur Polizei gehen, und dann werden die euch beiden den Arsch aufreißen. Versprochen.«
    Mindis wollte an uns vorbei, und da musste ich mich dann doch in den Vordergrund stellen. Um genau zu sein, versperrte ich den Ausgang mit meiner ganzen Breite, die zum ersten Mal seit Ewigkeiten einen Sinn hatte.
    »Herr Doktor, ich fürchte, Sie werden uns zuhören müssen.«
    Ein kurzer Blick zu Ansgar reichte, und ich bekam einen Stapel Zettel von ihm in die Hand, die ich erwartungsheischend in die Luft hielt.
    »Wissen Sie, was das ist?«
    »Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht, lass mich jetzt vorbei.«
    »Ich wüsste nicht, seit wann wir uns duzen?«
    »Litten? Aus dem Weg, aber sofort!«
    Ich schaute auf den ersten Zettel und begann ihn laut vorzulesen.
    » 10 . 12 . – 6 : 47 – Einleitung des Geburtsvorganges bei Patientin Sandra Erbolzer ... falsche Medikation. 12 . 12 . – 5 : 47 – Ramona Bleibtreu – Entfernung einer Zyste aus gesundem Gewebe ... 14 . 12 . – Birgit Teilmann – Fehldiagnose ... soll ich weitermachen?«
    »Was ist das?«
    Statt ihm zu antworten, zelebrierte ich den Moment und wandte mich genüsslich meinem Kollegen zu.
    »Ja, Ansgar, was ist das?«
    »Gute Frage, eine Beweisliste? Eine Chronik?«
    »Beweisliste, ja, aber Chronik? Ich weiß nicht, ist eine lückenlose Ansammlung von Kunstfehlern eine Chronik?«
    »Ich denke schon, Paul.«
    »Ja, je länger ich darüber nachdenke, ich glaube, du hast recht, aber dann ist das hier eine Chronik des Schreckens, oder?«
    »Oh ja ... und die meisten Dinge, die da stehen, sind noch gar nicht publik.«
    »Nein?
    »Nein.«
    »Wie geht das denn, da muss doch einer ...«
    »Aufhören, es reicht!«
    Der Chefarzt der Gynäkologie war blass geworden, und das Halogenlicht beleuchtete diesen Zustand keineswegs vorteilhaft. Der Zeitpunkt war perfekt, ich legte nach, mit dem bittersüßen Geschmack der Macht im Mund.
    »Vielleicht

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