Neu-Erscheinung
morgendlichen Lektüre zu beobachten. Ihre kleinen Schmunzler, die Sorgenfalten, die sich solidarisch mit den tragischen Ereignissen der Messias erklärten und sich angemessen vertieften. Die kleinen Seufzer an den Stellen, die für das Seufzen geschrieben wurden. Ich genoss alles, und am meisten genoss ich Bettina. Zwischen uns lief es gut, besser denn je.
»Was genau meinst du mit doof?«
»Süß, dass dich das interessiert.«
»Klar, warum nicht?«
»Weil das eigentlich nichts für Männer ist.«
»Das finde ich männerfeindlich.«
Bettina lachte. So laut und herzlich, dass es ansteckend war und wir beide uns von einer Lachsalve in die nächste jagten. Wie Kinder. Und um es perfekt zu machen, schnippte Bettina mir ihren Marmeladenlöffel ins Gesicht. Eine klebrige Hagebuttenpampe floss von meiner Stirn herunter und sorgte für eine weitere Lachattacke meiner Frau. Ich wählte den Frischkäserest, der an meinem Messer klebte, und katapultierte ihn mit eiskalter Präzision direkt in ihren Ausschnitt.
Zehn Minuten später sahen wir beide aus wie Vorzeigeblagen aus einem antiautoritären Kindergarten am Berliner Prenzlberg. Nur dass wir beide aus dem Alter eigentlich schon raus waren.
»Wann musst du zur Arbeit?«, prustete Bettina zwischen zwei Lachanfällen.
»Warum?«
»Sag schon, wann?«
Zehn Sekunden später lagen wir an dem Ort, der uns normalerweise nur in der Nacht eine gemütliche Ruhestätte bietet.
Wir fühlten uns wie am Anfang unserer Beziehung, vertraut, aber immer noch neugierig und mit einer Zukunft.
»Weißt du, was ich mir wünsche«, fragte Bettina.
»Oh ja, und ich werde dir diesen Wunsch gleich erfüllen.«
Meine Körperspannung ließ keinen Zweifel an dieser Absicht zu,
was Bettina nicht entgehen konnte. Eigentlich.
»Ich muss nochmal kurz wegen der Messias mit dir sprechen, Paul.«
»Jetzt?«
»Ja, passt gerade!«
»Ich finde nicht, Bettina, es sei denn, du erwartest gleich ein kleines Wunder von mir, aber bitte, heute ist bei mir alles drin ... soll ich über das Laken gehen ... oder soll ich aus Wasser Kaffee machen ... ich mach alles, was du willst.«
»Paul, bitte, ich wünsche mir, dass die Messias glücklich wird.«
»Sollen wir nicht erst mal uns glücklich machen?
»Paul, im Ernst, irgendwie hab ich Angst, wie es mit ihr weitergeht.«
»Und ich hab Angst davor, wie es mit uns hier jetzt weitergeht.«
»Paul, wirklich, ich will das irgendwie wissen.«
»Wie kommst du denn jetzt da drauf?«, fragte ich Bettina, während ich ihren wunderschönen Hals kraulte, immer noch mit eindeutiger Absicht.
»Denk halt gerade dran.«
»Ich nicht.«
Bettina richtete sich auf, ein deutliches Signal, die Sinnlosigkeit meiner Körperspannung zu betonen.
»Okay, wie könnte denn die Messias glücklich werden?«
»Interessiert dich das wirklich, Paul?«
»Habe ich eine andere Wahl?«
Bettina lächelt über die charmante Spitze. Ein Lächeln, so schön wie bestellt.
»Resi müsste einen Mann kennenlernen.«
»Resi?«
»Stimmt, das wär auch doof. Hannah müsste endlich den Richtigen kennenlernen.«
»Und was ist dann mit Resi?«
»Stimmt, die kann sie ja nicht alleine lassen.«
»Vielleicht sollten beide ihr ganz persönliches Glück finden?«
Bettina schaute mich überrascht an.
»Paul? Ja, das ist es ... woher, ich mein ...«
Sie schüttelte den Kopf, und ich verstand nicht, warum sie mir so eine einfache Erkenntnis nicht zutraute.
»Bloß, was ist das ganz persönliche Glück der beiden?« Die Frage meinte ich ehrlich, denn ich war mir nicht sicher, ob ich es wusste.
»Resi hat es doch eigentlich schon gefunden. Und bei Hannah ist es klar.«
»Aber Resis Glück steht dem von Hannah im Wege, oder sehe ich das falsch?«
»Stimmt. Also muss Resi sich von Hannah trennen, oder besser, umgekehrt.«
»Okay, ich kümmer mich drum. Dein Wunsch ist mir Befehl!«
Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Was hatte mich da geritten. Im Moment des größten Glückes springe ich ins fetteste Fettnäpfchen des Universums. Warum machen Hormone aus einem Mann ein Wesen ohne jede Intelligenz?
Der Satz war raus, und ich hätte alles dafür gegeben, ihn zu löschen.
»Du kümmerst dich drum?«
Ich war nicht in der Lage zu antworten, sondern kraulte weiter mechanisch ihren Hals, weil ich dafür nicht denken musste.
»Du bist so süß!«
Bettina gab mir einen langen Kuss, und erst jetzt begriff ich, dass sie nichts begriffen hatte. Es ist so schön, wenn das
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