Neubeginn in Virgin River
„Wir haben kaum noch miteinander geredet. Ich ließ ihn auf der Couch schlafen – so sauer war ich auf ihn. Als ich ihm dann verziehen und ihn wieder ins Bett gelassen hatte, hat er sich ganz schön ins Zeug gelegt.“ Sie kicherte, und ihre Augen blitzten.
„Wenigstens wart ihr verheiratet“, warf June ein.
„Erzähl uns von deinem Mann“, forderte Susan Mel auf.
„Oh, Jack ist nicht mein Mann“, sagte Mel automatisch.
„Aber er ist der erste Freund, den ich in Virgin River gefunden habe. Auf der anderen Straßenseite, gegenüber von Does Praxis besitzt er ein kleines Restaurant mit Bar, das aber mindestens ebenso sehr ein allgemeiner Treffpunkt ist wie ein Restaurant. Sie haben nicht einmal eine Speisekarte dort. Sein Partner, ein Typ, der einem Angst einjagen kann, wenn man ihn sieht, in Wirklichkeit aber ein Engel ist und Preacher genannt wird, bereitet jeden Tag etwas zum Frühstück-, Mittag- und Abendessen. Und wenn ihn der Ehrgeiz packt, gibt es auch schon mal zwei Essen zur Auswahl. Oder auch, wenn vom Vortag etwas übrig geblieben ist. Man kann dort sehr guten Fisch essen. Sie halten die Preise niedrig. Und sie helfen im Ort, wo immer man sie braucht. Jack hat mir das Haus renoviert, in dem ich für die Zeit, in der ich hier bin, wohnen kann.“
Einen Moment lang schwiegen die Frauen. Dann sagte Susan: „Liebes, ich habe so ein Gefühl, du könntest für ihn nicht bloß eine Freundin sein. Hast du nicht bemerkt, wie er dich ansieht?“
Mel sah zu Jack hinüber, und als hätte er es gefühlt, drehte er den Kopf und sah ihr in die Augen. Sein Blick war feurig und sanft zugleich. „Ja, aber er hat versprochen, damit aufzuhören.“
„Mädchen, ich würde niemals einen Mann davon abhalten, mich so anzusehen! Es kann doch unmöglich sein, dass du nicht weißt, wie sehr er …“
„Susan“, wurde sie von June unterbrochen. „Wir wollen nicht neugierig sein, Mel.“
„June will nicht neugierig sein, ich schon. Willst du etwa sagen, dass er nicht …?“
Mel fühlte, wie ihre Wangen sich röteten. „Also, es ist nicht das, was ihr denkt“, setzte sie an.
June und Susan prusteten los. Sie lachten so laut, dass die Männer ihre Unterhaltung unterbrachen und zur Veranda hochsahen. Ohne es zu wollen, stimmte Mel in das Gelächter ein. Ach, wie sehr hatte sie das vermisst: Freundinnen. Geheimnisse austauschen, private Sachen besprechen. Über die eigenen Stärken und Schwächen lachen.
„Was ich gedacht habe, ist Folgendes“, erklärte Susan. „Er sieht aus, als könnte er es nicht erwarten, mit dir allein zu sein und dir unaussprechliche Dinge anzutun.“
Mel entfuhr ein deutliches Seufzen, und ihre Wangen wurden noch heißer. Das kann er nicht, hätte sie fast gesagt. Undohhhh…
June nahm das Baby von der Brust und legte es sich an die Schulter, damit es sein Bäuerchen machen konnte. Wie auf Kommando drehte die Männergruppe sich um und steuerte die Veranda an, allen voran Jim. „Hört sich ja ganz so an, als hättet ihr fürchterlichen Stress“, sagte er und übernahm das Baby für das Bäuerchen.
John küsste Susan auf die Stirn, während er mit einer Hand zärtlich über ihren Bauch fuhr. „Wie geht es dir, Schatz?“, fragte er besorgt.
„Fantastisch. Und gleich nach dem Essen holst du es mir bitte raus.“
Er reichte ihr sein Bier. „Hier, nimm einen Schluck und entspann dich.“
Jack stand hinter Mel und legte eine Hand auf ihre Schulter. Unwillkürlich griff sie danach und streichelte sie.
„Ich werde jetzt den Grill anwerfen“, sagte der alte Doc Hudson und ging ins Haus.
Dann saßen sie alle im Hof um einen Picknicktisch geschart und redeten über ihr Dorf und ihre Fälle. Von John bekam Mel ein paar gute Tipps für Hausgeburten. Man tauschte Dorfklatsch aus, es wurde viel gelacht, und schon viel zu früh wurde es dunkel.
Als Jack und Mel aufbrachen, ergriff Mel die Gelegenheit, mit June über das Baby zu sprechen – Chloe. Sie äußerte ihre Besorgnis darüber, dass sie noch immer nichts vom Sozialamt gehört hatten.
June runzelte die Stirn. „Es ist schon richtig, sie müssen einen großen Bezirk betreuen, aber gewöhnlich arbeiten sie ziemlich gut. Eine meiner besten Freundinnen ist Sozialarbeiterin, allerdings in Mendocino. Ich kann es ihr ja mal erzählen – und hören, was sie dazu sagt.“
„Vielleicht solltest du das tatsächlich. Vor allem, wenn auch dir das Ganze seltsam vorkommt“, bat Mel.
„Das werde ich tun und dich dann anrufen. In
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