Neubeginn in Virgin River
Hope hätte jemand anders bitten sollen. Es gibt genug Frauen hier, die gerne ein wenig Arbeit annehmen.“
„Nun, jetzt ist es egal“, sagte Mel und nahm noch einen Schluck. „Jack, das ist der beste Kaffee, den ich je getrunken habe. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur so leicht von der kleinsten Annehmlichkeit zu beeindrucken, weil die letzten Tage so schrecklich waren.“
„Nein, er ist wirklich so gut.“ Er runzelte die Stirn, streckte den Arm aus und hob eine Locke von ihrer Schulter. „Haben Sie da etwa Matsch im Haar?“
„Gut möglich“, sagte sie. „Ich stand auf der Veranda und habe die Schönheit dieses angenehmen Frühlingsmorgens genossen, bis die Veranda auf einer Seite wegbrach und mich geradewegs in ein großes, ekliges Schlammloch beförderte. Und danach hatte ich nicht den Mut, die Dusche auszuprobieren. Die ist jenseits von schmutzig. Aber ich dachte eigentlich, dass ich alles entfernt hätte.“
„Oh Mann“, rief er und lachte zu ihrem Erstaunen laut auf. „Schlimmer konnte es ja kaum kommen. Wenn Sie wollen –ich habe eine Dusche in meiner Wohnung. Blitzblank.“ Dann grinste er wieder. „Und sogar weichgespülte Handtücher.“
„Vielen Dank, aber ich glaube, ich werde einfach weiterfahren. Sobald ich an der Küste bin, nehme ich mir ein Hotelzimmer und gönne mir einen ruhigen, warmen, sauberen Abend. Vielleicht leihe ich mir noch einen Film aus.“
„Das klingt gut“, meinte er. „Und dann geht’s wieder zurück nach Los Angeles?“
Sie zuckte die Schultern und antwortete: „Nein.“ Das konnte sie nicht. Vom Krankenhaus bis zu dem Haus, in dem sie gelebt hatten, würde alles nur süße Erinnerungen in ihr wachrufen und ihre Trauer an die Oberfläche treiben. Solange sie in L. A. lebte, konnte sie einfach nicht weiterkommen. Abgesehen davon gab es dort auch nichts mehr für sie … keinen Mann, keine Arbeit. „Es ist Zeit für eine Veränderung. Aber wie es aussieht, war das hier ein zu großer Schritt für mich. Haben Sie immer hier gelebt?“
„Ich? Nein. Erst seit kurzer Zeit. Ich bin in Sacramento aufgewachsen. Damals suchte ich nach einem guten Platz zum Angeln und bin dann geblieben. Das Haus habe ich zu diesem Bar-Restaurant umgebaut und später um den Anbau erweitert, in dem ich wohne. Klein, aber gemütlich. Preacher hat oben ein Zimmer, über der Küche.“
„Was um alles in der Welt hat Sie dazu gebracht, hier zu bleiben? Ich will ja nicht vorschnell urteilen, aber in diesem Ort hier scheint doch wirklich nicht viel los zu sein.“
„Wenn Sie Zeit hätten, würde ich es Ihnen zeigen. Die Gegend ist einfach unglaublich. Über sechshundert Menschen leben im Ort und in der näheren Umgebung. Viele Städter besitzen entlang des Virgin River Ferienhäuser, denn es ist friedlich hier und man kann hervorragend angeln. Im Ort gibt es nur wenig Touristenverkehr, aber ziemlich regelmäßig kommen Angler hier vorbei und während der Jagdsaison auch einige Jäger. Preacher ist für seine Küche berühmt, und es ist der einzige Platz im Ort, wo man ein Bier bekommen kann. Nicht weit von hier gibt’s ein paar Mammutbäume, die einfach Ehrfurcht gebietend sind. Majestätisch. Den ganzen Sommer über kommen viele Camper und Bergwanderer in die Nationalparks. Und der Himmel und die Luft hier draußen – so etwas wird man in einer Stadt einfach nicht finden können.“
„Und Ihr Sohn hilft Ihnen hier?“
„Mein Sohn? Oh“, meinte er und lachte. „Ricky? Er ist ein Junge aus dem Dorf, der fast jeden Tag nach der Schule in die Bar kommt, um ein wenig zu arbeiten. Ein guter Junge.“
„Haben Sie Familie?“, wollte sie wissen.
„Schwestern und Nichten in Sacramento. Mein Vater lebt noch, aber vor ein paar Jahren habe ich meine Mutter verloren.“
Preacher kam mit einem dampfenden Teller, den er mit einer Serviette festhielt, aus der Küche. Er stellte ihn vor Mel auf die Theke, und Jack griff unter den Tresen und legte das Besteck mit einer Serviette dazu. Auf dem Teller lag ein Käseomelett, das herrlich aussah und mit Peperoni, Wurstscheibchen, Früchten, Bratkartoffeln und einer Scheibe Toast umlegt war. Auch ein Glas mit gekühltem Wasser wurde ihr gebracht und ihre Tasse noch einmal mit Kaffee aufgefüllt.
Mel nahm ein wenig von dem Omelett und führte es zum Mund. Es zerschmolz geradezu auf der Zunge, köstlich und fein. „Mmmm“, sagte sie und schloss die Augen. Nachdem sie es heruntergeschluckt hatte, meinte sie: „Zweimal habe ich jetzt
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