Neubeginn in Virgin River
wahnsinnige Entscheidung. Die falsche Entscheidung. Das hier ist nichts für mich.“
„Es war also nicht bloß ein Burnout?“
„Alles, was mich an L. A. gebunden hat, habe ich aufgegeben und bin um mein Leben gerannt. Es war eine panische, verrückte, irrationale Entscheidung“, erklärte sie. „Ich habe so sehr gelitten.“
„So etwas habe ich mir schon fast gedacht. Wahrscheinlich ein Mann. Liebeskummer oder so etwas.“
„Etwas in der Art.“
„Glaube mir, Mel, dieser Platz hier ist so gut, wie ein Platz nur sein kann, um mit Kummer fertig zu werden.“
„Du auch?“, fragte sie ihn.
„Ja, kann man so sagen. Aber ich bin nicht in Panik hierhergekommen. Ich war auf der Suche nach einem Ort wie diesem. Ein gutes Fisch- und Jagdgebiet. Abgelegen. Unkompliziert. Saubere Luft und vernünftige Werte. Menschen, die hart arbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Das kann helfen.“
Sie atmete tief durch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für mich hier auf Dauer funktionieren kann.“
„Das ist doch in Ordnung. Niemand hat dich darum gebeten, dich langfristig festzulegen. Niemand außer Hope natürlich, aber die nimmt eh keiner wirklich ernst. Aber du solltest nicht mit derselben Panik von hier weglaufen, mit der du gekommen bist. Es ist ein gesunder Ort. Ein liebenswerter Ort. Wer weiß? Vielleicht stellt sich ja heraus, dass er dir darüber hinweghilft … was auch immer es sein mag.“
„Es tut mir leid. Manchmal bin ich ein richtiger Miesepeter. Ich sollte so dankbar sein. Für alles. Und stattdessen …“
„Hey, keine Sorge“, lenkte er ein und startete den Truck, um sie ins Dorf zurückzubringen. „Ich habe dich doch völlig überrumpelt. Du dachtest, du hättest mit einer miesen Unterkunft eine gute Entschuldigung, um wieder fortzugehen. Und inzwischen hält auch Chloe dich nicht länger hier fest. Ich stellte mir vor, dass du ja dann auch nicht mehr bei Doc wohnen und in einem Schlafzimmer als Hebamme arbeiten müsstest, sondern endlich deinen eigenen Platz hast. Das heißt, wenn du es willst.“
„Gibt es dort Bären?“, wollte sie wissen.
„Bestimmt ist es besser, wenn du deinen Abfall im Haus aufbewahrst und ihn dann in den Ort fährst und in den Müllcontainer wirfst. Bären lieben Abfall.“
„Ach du lieber Himmel!“
„Seit Jahren hat uns hier kein Bär mehr erschreckt.“ Über die Konsole hinweg drückte er ihre Hand. „Gönn dir doch einfach einmal eine Pause und versuche, mit deinem Herzschmerz fertig zu werden. Und vergiss dabei nicht, hin und wieder deine Temperatur zu messen, und nimm auch einmal eine Pille. Niemand hält dich als Geisel hier fest.“
Sie betrachtete ihn, während er fuhr. Sein markantes Profil, das eckige Gesicht, die gerade Nase, seine hohen Wangenknochen, die vielen Bartstoppeln. Er war ein ganz schön haariger Kerl. Sie bemerkte, dass er seinen Hals bis zum oberen Teil der Brust hinab rasierte. Dann ertappte sie sich bei dem Gedanken, was wohl sein Hemd verbergen mochte. Sie erinnerte sich, dass Mark immer wieder über seine Geheimratsecken gejammert hatte, was seinem jungenhaft guten Aussehen jedoch keinen Abbruch tat. Aber dieser Mann hier, Jack, war nicht jungenhaft. Er hatte das gestählte gute Aussehen eines Waldarbeiters. Und obwohl sein Haar militärisch kurz geschnitten war, war es so dicht, dass es schien, als müsse es ausgedünnt werden. Die großen Hände auf dem Lenkrad waren schwielig. Er arbeitete hart. Der Kerl triefte nur so vor Testosteron.
Was tat dieser großartige Mann hier, abgeschlossen von der Welt, in einem kleinen Dorf mit sechshundert Einwohnern, wo es keine Frauen für ihn gab? Sie fragte sich, ob er auch nur ansatzweise ahnen konnte, was mit ihr los war. Dass sie kein Herz mehr besaß. Eben hatte er ihr so viel gegeben, und sie hatte nichts, was sie zurückgeben könnte. Gar nichts. Sie war innerlich völlig hohl. Wenn es anders wäre, könnte ein Mann wie Jack sie durchaus reizen.
Das ist das Schlimmste an der Trauer, dachte sie, als sie Does Haus erreichten. Sie macht einen leer. Ich sollte mich geschmeichelt fühlen und mich darüber freuen, was er mit der Ferienhaus-Renovierung für mich getan hat. Ich sollte begeistert sein, dass ein Mann wie Jack sich für mich interessiert, denn das tut er offensichtlich. Doch ich fühle mich traurig. Ich habe die Fähigkeit verloren, solche freundlichen Gesten mit Freude anzunehmen. Stattdessen fühle ich mich niedergeschlagen und allein. Ich bin nicht in der
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