Neubeginn in Virgin River
KAPITEL
M indestens dreimal pro Woche telefonierte Mel mit Joey, manchmal auch täglich. Sobald sie eine Minute Zeit hatte, benutzte sie Does Telefon, und Joey rief sie dann zurück, damit es nicht auf seine Kosten ging. Und von Does Computer aus schickte sie ihr Fotos von dem renovierten Ferienhaus. Joey, von Beruf Raumausstatterin, war begeistert von all den Einbauten und raffinierten Details, die Jack zustande gebracht hatte. Mel erzählte Joey, dass sie ein wenig länger bleiben würde. Noch ein paar Wochen. Jedenfalls so lange, bis sie sicher sein konnte, dass es Chloe bei Lilly gut ginge. Sie liebte ihr Häuschen und wollte Polly bei der Geburt ihres Kindes begleiten.
Jack hatte sie davon nichts gesagt, aber da sie täglich sein kleines Restaurant aufsuchte, war ihm klar, dass Mel den Versuch wagte, und er machte keinen Hehl daraus, dass er davon sehr angetan war.
Wenn sie ihre Freizeit nicht in Jacks Bar verbrachte, spielte Mel mit Doc Gin und ging immer rechtzeitig zum Laden hinunter, um mit Connie und Joy die Seifenoper anzusehen. Und wenn Joy, auch wenn sie keine Bibliothekarin war, dienstags die kleine Bücherei öffnete, war Mel jedes Mal dort. Der Raum war ungefähr drei mal vier Meter groß und vollgepackt mit Büchern. Überwiegend waren es Taschenbücher, die auf der Innenseite des Einbands den Stempel irgendeines Second-hand-Ladens trugen. Es war die einzige Unterhaltung, die Mel abends bei sich zu Hause hatte.
Als Doc sie eines Tages zu Lydie Sudder schickte, damit sie ihr Diabetikertests, Insulin und Spritzen brachte, erfuhr Mel, dass es Lydie gesundheitlich nicht besonders gut ging. Abgesehen von ihrer Diabetes und Arthritis hatte sie auch noch ein schwaches Herz. Als Mel bei Lydie eintraf, war sie überrascht, zu sehen, dass das kleine Haus, das sie zusammen mit Ricky bewohnte, sehr gepflegt und geschmackvoll eingerichtet war. Irgendwie schaffte Lydie es trotz ihrer Handicaps, alles in Ordnung zu halten. Sie konnte sich nur langsam bewegen, hatte aber immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen und sehr angenehme Umgangsformen. Selbstverständlich wollte sie Mel nicht entlassen, bevor sie nicht Tee getrunken hatte, zu dem sie ihr Plätzchen servierte. Als Ricky von der Schule nach Hause kam und in seinem kleinen weißen Truck vorfuhr, saß Mel noch immer mit Lydie auf der Veranda.
„Hey, Mel“, grüßte Ricky und beugte sich zu seiner Großmutter hinunter, um ihr einen Kuss zu geben. „Hi, Gram. Ich gehe arbeiten, es sei denn, du brauchst mich.“
„Nein danke, ich bin gut versorgt“, sagte sie und tätschelte seine Hand.
„Wenn etwas ist, ruf mich an. Später bringe ich dir von Preacher was zu essen mit.“
„Das wäre gut, mein Lieber.“
Der Junge ging ins Haus, um seine Schulsachen wegzulegen, kam wieder heraus, übersprang die Stufen der Veranda und setzte sich wieder in seinen Truck, um die wenigen Meter bis zur Bar zu fahren. „Schätze, ein Mann ist von seinem fahrbaren Untersatz einfach nicht zu trennen“, bemerkte Mel.
„Sieht ganz danach aus“, bestätigte Lydie lachend.
Am nächsten Tag saß Mel um die Mittagszeit zusammen mit Connie bei Jack im Restaurant. „Du hast schon seit Tagen nicht mehr erwähnt, dass du wegwillst“, stellte Connie fest. „Hat sich da etwas geändert?“ Seit Joys Party duzten sie sich.
„Nicht sehr viel“, antwortete Mel. „Aber weil Jack sich mit der Arbeit an dem Haus so viel Mühe gegeben hat, fand ich, dass ich es ihm irgendwie schuldig bin, es wenigstens noch ein paar Wochen lang zu versuchen. Dann kann ich auch Pollys Baby noch auf die Welt helfen.“
Connie sah zur Bar hinüber, wo Jack gerade zwei Anglern das Mittagessen servierte. Sie nickte ihm zu und sagte zu Mel: „Ich wette, das wird Jack sehr glücklich machen.“
„Er scheint der Auffassung zu sein, dass man mich hier brauchen kann, auch wenn Doc da anders denkt.“
Connie lachte sie aus. „Mädchen, du brauchst wohl eine Brille. So wie Jack dich ansieht, hat das wenig mit Doc oder dem Dorf zu tun.“
„Du hast aber wohl kaum feststellen können, dass ich seine Blicke in irgendeiner besonderen Weise erwidere, oder?“
„Das solltest du aber. Meilenweit gibt es hier keine Frau, die für ihn nicht ihren Mann verlassen würde.“
„Du etwa auch?“, fragte Mel lachend.
„Bei mir ist es etwas anderes“, meinte Connie. „Ich habe Ron geheiratet, als ich sieben Jahre alt war.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee. „Aber doch – wenn er mich darum bitten
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