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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robyn Carr
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allein!“, bat Polly.
    „Er wird ja gleich wieder zurück sein, und ich bin ja bei dir“, versprach Mel. „Schätzchen, wir sind erst bei vier Zentimetern, das wird noch ein Weilchen dauern.“
    Mel hielt Wort und blieb an ihrer Seite. Sie war sich nicht mehr sicher, wie sie sich eine solche Situation vorgestellt hatte, musste sich aber eingestehen, dass sie ein paar Dinge doch überraschten. Erstens hatte Doc Mullins sich zurückgehalten und ihr den Fall überlassen, obwohl Polly seine Patientin war. Zweitens hatte er Darryl übernommen, als es nötig wurde, ihn aus dem Zimmer zu entfernen. Inzwischen war es schon spät, und Doc wäre normalerweise längst schlafen gegangen. Und wenn Mel das Patientenzimmer hin und wieder verließ, um irgendwelche Sachen zu holen, die sie benötigte, oder auch eine Tasse Kaffee, sah sie, dass auf der anderen Straßenseite die Lichter noch brannten und das „Geöffnet“-Schild leuchtete. Anscheinend ließ Jack die ganze Nacht über seine Bar auf.
    Während die Stunden vergingen, verstärkten sich Pollys Wehen nur langsam, sie blieb jedoch stabil, und der zeitliche Verlauf war normal. Mel ließ sie aufstehen, umhergehen, sich hinhocken, die Schwerkraft nutzen. Nachdem Darryl wieder zurück war, bat sie ihn, Polly in vorgebeugter Position festzuhalten, während sie ihre Hüften hin und her schob, und morgens um halb vier setzten dann die Presswehen ein. Das Mädel lag bequem auf der Seite, daher beschlossen Mel und Darryl, ihr mit vereinten Kräften dabei zu helfen, das Kind in dieser Position zur Welt zu bringen. Mel sorgte dafür, dass Polly in der Embryonalstellung zu liegen kam, das untere Bein angewinkelt nach hinten geschoben, während Darryl Pollys oberes Bein anhob, um so das Feld für die Geburt freizugeben. Es war ein recht großes erstes Baby, und Polly wäre nicht in der Lage gewesen, so lange in dieser Haltung ohne Hilfe zu pressen. Aber es war wichtig, dass die Mutter so weit wie möglich die Kontrolle behielt und ihrem Körper vertraute. Das machte die Erfahrung so viel schöner. Darryl hielt sich recht gut, auch wenn es ihm schwerfiel, seine junge Frau so leiden zu sehen, und der Anblick des Blutes machte ihm offensichtlich zu schaffen. Da half es auch nicht, dass er schon oft genug ein Schwein geschlachtet hatte.
    Nach einer Stunde des Pressens hatte Polly es endlich geschafft. Um vier Uhr dreißig war ihr Kind geboren. Mel zertrennte die Nabelschnur, wickelte den Säugling in ein Handtuch und übergab ihn seinem Vater. „Mr. Fishburn“, verkündete sie, „jetzt gibt es einen weiteren Mr. Fishburn in der Familie. Helfen Sie Polly bitte dabei, ihren Sohn an die Brust zu legen. Das wird ihr wiederum helfen, die Placenta abzulösen und die Blutung zu verringern.“
    Das alles erinnerte mehr an eine Szene aus „Vom Winde verweht“ und hatte weniger mit der Geburtshilfe zu tun, die Mel von einem großen, gut ausgestatteten Stadtkrankenhaus her kannte. Während Doc das Neugeborene untersuchte, reinigte Mel die Mutter mit Wasser und Seife und wechselte die Laken und brachte ihr ein frisches Nachthemd.
    Frühmorgens um sechs Uhr dreißig hatte Mel, körperlich erschöpft und von Koffein überdreht, ihre Arbeit beendet. Das Baby blieb bei Polly, und Darryl durfte das andere Bett benutzen. Innerhalb weniger Sekunden waren beide in einen Tiefschlaf gefallen. Mel wusch sich das Gesicht und spülte sich kurz mit einem Mundwasser den Mund aus. Dann nahm sie den Clip aus dem Haar, mit dem sie es hochgesteckt hatte, und suchte nach Doc.
    „Gehen Sie ins Bett, Doc. Es war eine lange Nacht. Ich werde mich um die Praxis kümmern.“
    „Das kommt überhaupt nicht infrage“, widersprach er. „Bei Tageslicht kann ich nicht schlafen, und Sie haben die ganze Arbeit getan. Ich werde ein Auge auf die Fishburns halten. Fahren Sie nach Hause.“
    „Dann werden wir eine Abmachung treffen: Ich gehe jetzt und lege mich ein Weilchen hin. Am frühen Nachmittag komme ich dann wieder und löse Sie ab.“
    „Darüber lässt sich reden“, meinte er und, indem er sie über den Rand seiner Brille hinweg anschaute, fügte er hinzu: „Nicht schlecht. Für ein Mädchen aus der Stadt.“
    Die Sonne blinzelte gerade hinter den Bergen hervor und tauchte den Ort in einen rosig-beigen Schimmer. Die Luft im April war noch kalt, daher wickelte Mel sich fest in ihre Wolljacke und setzte sich auf die Stufen von Does Veranda. Sie fühlte sich beschwingt und vielleicht ein wenig zu aufgedreht, um jetzt

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