Neubeginn in Virgin River
haben wir nur mittwochs, und an den anderen Tagen kommen sie einfach unangemeldet mit ihren Beschwerden vorbei, oder Doc macht Hausbesuche. Meistens begleite ich ihn. Oft kommen die Leute auch einfach nur, um zu reden. Manchmal bringen sie Kuchen mit oder frisch gebackene Brötchen. Aber die Frauen, vor allem die schwangeren, sind wirklich erleichtert, wenn sie meine Hände gesehen haben und sie mit Does vergleichen.“
„Was machst du denn den ganzen Tag?“
„Nun“, sagte sie lachend, „jeden Tag gehe ich in den Laden und sehe mir mit Connie und Joy eine Seifenoper an. Das sind zwei Frauen mittleren Alters, beste Freundinnen, die jetzt schon seit mehr als fünfzehn Jahren den fürs Fernsehen inszenierten Ehebruch auf Riverside Falls verfolgen. Ihre Kommentare dazu sind viel interessanter als die Seifenoper selbst.“
„Oh Gott“, stöhnte Joey.
„Ich fahre zur Ranch der Andersons und knuddele das Baby. Chloe. Sie blüht dort richtig auf und Lilly ebenso. Mehr und mehr wird mir klar, dass es das Richtige für sie war. Und es ist mir einfach so in den Schoß gefallen. Hin und wieder bringe ich einen Teil von dem Essen, das wir selbst nicht verbrauchen können, raus in den Wald, wo eine Gruppe von Pennern lebt, die total dünn und hungrig aussehen, auch wenn Doc sagt, dass sie uns vermutlich noch alle überleben werden. Manchmal gehe ich in die Bar, um zu sehen, ob jemand mit mir Kribbage spielt, und wenn ich ihn rumkriege, spielen Doc und ich Gin. Aber dazu hat er selten Lust. Er hat mir das Spiel beigebracht, und jetzt kann er gegen mich nicht mehr gewinnen. Jeder Punkt ein Penny – damit kann ich meine Altersvorsorge aufstocken.“
„Na, und wann meinst du, dass du über diesen Urlaub von der Vernunft hinweg sein wirst?“
„Oh, weiß nicht. Lass mich nachdenken. Ich bin jetzt erst seit zwei Monaten hier. Das ist ja keine Ewigkeit.“
„Aber mir gefällt es gar nicht, dass du in irgendeinem langweiligen Kaff verrottest, Seifenopern verfolgst und hässliche Haaransätze bekommst.“
„Ich könnte ja einmal bei Dot vorbeischauen, die in ihrer Garage frisiert …“
„Na toll. Fühlst du dich nicht einsam dort?“
„Nicht besonders. Abends, wenn nicht irgendwas los ist, gehen Doc und ich in die Bar. Doc bestellt sich dann seinen täglichen Whiskey, und ich nehme ein kaltes Bier. Es sind immer irgendwelche Leute da. Wir essen dort auch, und immer gibt es jemanden, der uns einen Platz an seinem Tisch anbietet. Es wird viel geklatscht, und das ist das Krasse an kleinen Orten, wo jeder weiß, was der andere tut. Außer, wie es scheint, über die Frau, die Chloe zur Welt gebracht hat. Ich kann nur von Glück reden, dass keine Frau mit Wochenbettblutungen oder Infektionen aufgetaucht ist. Und der Sozialdienst hat auch immer noch nichts von sich hören lassen.“
„Ich vermisse dich so sehr. Seit Jahren ist das jetzt die längste Zeit, die wir je getrennt waren … Wie kannst du nur so glücklich klingen?“
„Tu ich das? Vielleicht, weil alle um mich herum glücklich sind. Sie zeigen mir, dass sie froh darüber sind, dass ich hier bin, selbst wenn meine Anwesenheit für die medizinische Versorgung des Ortes nicht unbedingt nötig ist.“ Sie holte Luft. „Ich fühle mich immer noch ziemlich fehl am Platz, aber ich glaube, dass ich zufriedener bin als in den ganzen letzten elf Monaten und drei Tagen. Allmählich senkt sich auch mein Adrenalinspiegel.“
„Versprich mir nur, dass du nicht in diesem gottverlassenen Kaff bleiben wirst. Allein, mit Seifenopern und Bier!“
Mels Stimme wurde weich. „Der Ort hier ist nicht gottverlassen, Joey. Er ist…“ Sie suchte nach dem richtigen Wort. „Er ist atemberaubend schön. Gut, die Architektur lässt zu wünschen übrig. Die meisten Häuser und anderen Gebäude sind klein und alt und könnten auch etwas Farbe vertragen. Aber die Landschaft ist einmalig. Und ich bin nicht allein. Ich habe ein ganzes Dorf. Und das hatte ich noch nie.“
Ricky und Liz waren unterwegs zum Frühlingsball der High-school. Allerdings hatten sie noch etwas anderes vor. Ricky hatte deswegen ganz schöne Schuldgefühle, denn er wusste genau, dass Connie und Ron ihm vertrauten. Es wäre wohl besser, sie täten es nicht.
Wenn man in einem kleinen Ort lebte, der von einem Dutzend anderer kleiner Orte durch Wälder getrennt war, dann gab es unendlich viele versteckte Plätze, wo man parken und knutschen konnte. Er hatte immer ein Kondom in der Tasche, obwohl er entschlossen
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