Neubeginn in Virgin River

weinten gleichzeitig. Nachdem der erste Freudensturm sich etwas gelegt hatte, ging Mel mit Joey an der Hand zu Doc, um sie ihm vorzustellen. Noch bevor sie den Mund öffnen konnte, brummte Doc: „Irgendwie beängstigend, jetzt zwei von derselben Sorte dazuhaben.“
    Mel strich mit der Hand über Joeys glänzendes weiches braunes Haar. „Warum bist du gekommen?“
    „Na, ich dachte, du könntest mich vielleicht brauchen.“
    „Mir geht es gut“, log Mel.
    „Dann also nur für den Fall, dass …“
    „Du bist so süß!“, unterbrach Mel sie. „Möchtest du dir den Ort ansehen? Und mein Häuschen? Und …“
    „Ich will den Mann sehen“, flüsterte Joey Mel ins Ohr.
    „Das machen wir zum Schluss. Doc? Kann ich heute Nachmittag freihaben?“
    „Gerne! Ich könnte es eh nicht aushalten, Sie beide plappernd und kichernd den ganzen Tag um mich zu haben.“
    Mel stürzte sich auf Doc und drückte ihm ein Küsschen auf die verwitterte Wange. Der Alte verzog das Gesicht und wischte sich schnell die Spuren weg.
    In bester Stimmung dachte Mel für eine Weile einmal nicht an Mark. Sie zeigte Joey all ihre Lieblingsplätze, angefangen mit ihrem Häuschen im Wald. Joey fand es bezaubernd, auch wenn ihm in ihren Augen als Innenausstatterin der letzte Schliff noch fehlte. „Du hättest es mal sehen sollen, als ich ankam“, sagte Mel und schüttelte den Kopf. „Da war ein Vogelnest im Ofen!“
    „Lieber Himmel!“
    Dann fuhren sie zum Fluss, in dem mindestens zehn Männer in Anglerhosen und Gummiwesten standen und angelten. Zwei von ihnen drehten sich um und winkten Mel zu. „Das erste Mal hat Jack mich hierhergebracht, und wir konnten eine Bärenmutter mit ihrem Jungen beim Fischen beobachten. Gleich dort, ein Stück flussabwärts. Das war der erste Bär, den ich gesehen habe. Ich glaube, mir wäre es auch lieber, wenn es dabei bliebe. Als ich dann das nächste Mal herkam, habe ich selbst gefischt. Fliegenfischen. Ich habe mich zwar nicht so geschickt angestellt wie diese Männer hier, aber ich habe tatsächlich einen Fisch gefangen. Im Kofferraum liegt jetzt meine eigene Ausrüstung.“
    „Das kann nicht wahr sein!“
    „Aber sicher doch!“
    Anschließend fuhren sie zur Ranch der Andersons, um die kleine Chloe zu besuchen und die neugeborenen Lämmer zu sehen. Buck Anderson hob zwei Lämmchen aus dem Pferch und reichte sie den beiden Frauen.
    Mel steckte einem der beiden einen Finger ins Maul, und sofort schloss es seine kleinen Augen und nuckelte. Mel und Joey waren begeistert.
    „Sechs Kinder habe ich großgezogen. Drei Jungs und drei Mädchen. Und jedes Einzelne von ihnen hat einmal ein Lämmchen ins Schlafzimmer geschmuggelt, weil es in seinem Bett schlafen sollte. Dafür zu sorgen, dass die Tiere nicht ins Haus kamen, war eine Lebensaufgabe“, erzählte Buck.
    Auch eine Fahrt auf dem Highway 299 durch die Redwoods durfte nicht fehlen, und Mel freute sich über all die Ooohs und Aaahs ihrer Schwester. Sie stiegen aus und liefen durch das Fern Canyon, einen der Schauplätze in Spielbergs Film „The Lost World“. Sie zeigte Joey auch die Seitenstraßen von Virgin River und außerhalb des Orts saftige Weiden, Getreidefelder, zerklüftete Felsen, imposante Kiefern, grasendes Vieh und die Weingüter im Tal.
    „Wenn du ein wenig bleibst und ich mich von Doc loseisen kann, fahre ich noch mit dir nach Grace Valley, damit du ein paar Freunde triffst, die ich vor Kurzem kennengelernt habe. Sie haben dort eine etwas größere Klinik als wir, komplett ausgestattet mit EKG, kleiner chirurgischer Abteilung und Ultraschallgerät.“
    Als die Zeit zum Abendessen näher rückte, setzte ein heftiger, kühler Sommerregen ein, und sie landeten bei Jack, der bereits für ein angenehmes Kaminfeuer gesorgt hatte. Offensichtlich hatte es sich herumgesprochen, dass Mels Schwester zu Besuch war, denn die Bar war voller als gewöhnlich –absolut untypisch für einen regnerischen Abend. Eine ganze Reihe ihrer liebsten Leute war anwesend. Doc natürlich und Hope McCrea. Ron hatte Connie auf einen Sprung rübergebracht, und wo Connie war, war auch Joy immer in der Nähe, diesmal zusammen mit ihrem Mann Bruce. Darryl Fishburn schaute mit seinen Eltern herein, und Mel stellte Darryl als den Daddy ihres ersten Virgin-River-Babys vor. Anne Givens und ihr Mann saßen an einem Tisch in der Ecke, ein Paar, das außerhalb des Orts eine große Obstplantage besaß und sein erstes Baby im August erwartete. Preacher schenkte Joey eins seiner