Neue Bündnisse
vorstellen können, daß Siuan diese Situation auch nur ansatzweise akzeptierte. Sie konnte noch immer nicht verstehen, warum.
Siuan schnaubte laut, schritt energisch aus und fiel fast hin, als sie ausrutschte. Der von zahllosen Füßen niedergetretene Schnee war zu einer glatten Eisschicht geworden. Egwene schritt vorsichtig aus. Jeden Tag brach sich jemand Knochen und mußte von den von der Reise erschöpften Schwestern geheilt werden. Sie ließ ihren Umhang los und bot Siuan zur gegenseitigen Unterstützung einen Arm. Siuan ergriff ihn murrend.
»Als ich damit fertig war, das zweite Paar Stiefel und den zweiten Sattel des Mannes zu putzen, war es zu spät, noch hierher zurückzukehren. Nicht daß er mir mehr als Decken in einer Ecke angeboten hätte. Nicht Gareth Bryne! Er hat sie mich selbst aus der Kiste ausgraben lassen, während er das Licht weiß wohin ging! Männer sind eine Prüfung, und er ist die härteste!« Sie hielt inne, um Luft zu holen, und wechselte dann das Thema. »Ihr solltet diese Halima nicht in Eurem Zelt schlafen lassen. Sie bedeutet noch zwei Ohren, in deren Gegenwart Ihr vorsichtig sein müßt, und sie ist neugierig. Außerdem müßt Ihr damit rechnen, sie mit irgendeinem Soldaten vorzufinden.«
»Ich bin sehr froh, daß Delana sie nachts entbehren kann«, sagte Egwene fest. »Ich brauche Halima. Es sei denn, Nisaos Heilkünste könnten meine Kopfschmerzen beim zweiten Mal besser vertreiben.« Halimas Finger schienen den Schmerz durch ihre Kopfhaut herauszuziehen. Ohne sie könnte sie überhaupt nicht schlafen. Nisaos Bemühungen hatten bisher keinerlei Erfolg gehabt, und sie war die einzige Gelbe, der Egwene sich mit ihren Schmerzen zu nähern wagte. Was das übrige betraf... Sie verlieh ihrer Stimme noch mehr Festigkeit. »Es überrascht mich, daß Ihr noch immer auf dieses Geschwätz hört, Tochter. Die Tatsache, daß Männer Frauen gern anschauen, bedeutet nicht, daß sie dies herausfordert, wie Ihr wohl wissen solltet. Ich habe bemerkt, daß einige auch Euch ansehen und lächeln.« Sie konnte jetzt leichter in diesem Tonfall sprechen als früher.
Siuan warf ihr einen bestürzten Seitenblick zu und äußerte kurz darauf murrend eine Entschuldigung. Vielleicht war sie ehrlich gemeint. Egwene nahm sie jedenfalls an. Lord Bryne bekam Siuans Stimmung nicht gut, und da Halima mit hineingezogen wurde, war Egwene froh, daß sie nicht zu einer strikteren Haltung gezwungen wurde. Siuan hatte selbst gesagt, sie solle keinen Unsinn dulden, und sie konnte es sich gewiß nicht leisten, ihn gerade von Siuan zu dulden.
Sie mühten sich Arm in Arm schweigend weiter, während die Kälte ihren Atem gefrieren ließ und durch ihre Haut drang. Der Schnee war ein Fluch und eine Lektion. Sie konnte Siuan noch immer darüber dozieren hören, was sie das Gesetz der Unbeabsichtigten Konsequenzen nannte, das stärker als jegliches geschriebenes Gesetz sei. Ob das, was man tut, die gewünschte Wirkung erzielt oder nicht, so hat es doch mindestens drei vollkommen unerwünschte Wirkungen, von denen eine gewöhnlich unerfreulich ist.
Die ersten schwachen Regenfälle hatten hur Erstaunen gesorgt auch wenn Egwene dem Saal bereits mitgeteilt hatte, daß die Schale der Winde gefunden und benutzt worden war. Mehr hätte sie nicht riskieren dürfen, als ihnen zu berichten, was Elayne ihr in Tel'aran'rhiod gesagt hatte. Zu vieles, was in Ebou Dar geschehen war, schien geeignet, ihr den Boden unter den Füßen zu entziehen, und ihre Position war ohnedies schon gefährdet genug. Heftige Freude war bei den ersten Tropfen in ihr aufgewallt. Sie hatten ihren Marsch mittags unterbrochen, und es hatte im Regen Freudenfeuer und ein Festessen, Dankesgebete der Schwestern und Tänze der Diener und Soldaten gegeben. Sogar einige Aes Sedai hatten getanzt.
Wenige Tage später wurde der sanfte Regen zu langanhaltendem, heftigem Platzregen und dann zu tobendem Sturmregen. Die Temperatur sank sturzartig, und der Sturmregen wurde zu Schneestürmen. Jetzt brauchten sie für die einst an einem Tag zurückgelegte Entfernung fünf Tage, wenn der Himmel wolkenverhangen war, wobei Egwene zähneknirschende Betrachtungen darüber anstellte, wie langsam sie vorankamen, und wenn es schneite, zogen sie überhaupt nicht weiter. Da konnte man nur allzu leicht an drei oder mehr unbeabsichtigte Konsequenzen denken, und der Schnee mochte noch die am wenigsten unerfreuliche davon sein.
Als sie sich dem kleinen geflickten Zelt näherten, das als
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