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Neue Leben: Roman (German Edition)

Neue Leben: Roman (German Edition)

Titel: Neue Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Schulze
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schließlich, in gebückter Haltung, aufstand und sich abwandte.
    Der Baron fuhr unerbittlich fort. »Seine Hoheit kommt nicht mit leeren Händen!« rief er, und da er das Gehuste Karmekas übertönen mußte, klang es weniger wie ein Versprechen als wie eine Zurechtweisung. Nach Luft ringend, den Kopf gesenkt, sah uns Karmeka, die Augen im feuerroten Gesicht weit aufgerissen, an. Er hatte nicht verstanden, was der Baron vom Handreliquiar gesagt hatte, eine Angelegenheit, die nicht nur mit der Kirche besprochen worden war, sondern deren festliches Procedere – der Einzug, der Empfang – sich bereits in der Phase eifrigster Vorbereitung befand. »Können Sie – bitte … ich habe nicht … ich meine – wiederholen?« stieß Karmeka hervor.
    »Wir bringen Bonifatius zurück!« schrie der Baron, lächelte und hielt dem erschöpften Karmeka die Mappe wieder hin.
    »Moment!« hörte ich über mir eine Stimme. Fliegner war mit einem Glas Wasser zwischen uns und Karmeka getreten. Fliegner schirmte ihn so geschickt ab, daß wir nicht sahen, wie er trank. »Zehn Minuten«, sagte Fliegner, zu Karmeka gewandt, und trat lautlos zurück.
    »Bitte«, sagte ein sichtlich erholter Karmeka, »wo waren wir stehengeblieben?«
    Der Baron überreichte ihm erneut die Mappe mit dem Ablaufplan. Karmeka legte sie ungeöffnet vor sich ab und sah den Baron wieder an.
    »Und jetzt ein Angebot«, sagte der Baron, »ich habe derStadt ein Angebot zu unterbreiten.« Und mit Blick auf Fliegner fügte er hinzu: »Und ich erwarte höchste Diskretion.« Karmeka lächelte ihn unverwandt an. Der Baron schien zu überlegen, ob er überhaupt weitersprechen sollte. Vom Schreibtisch hörte man wieder das Rascheln der Papiere.
    »Eine dreistellige Millionensumme, die sich als Dollaranlage noch außerhalb des Landes befindet, wird in diesem Jahr frei«, sagte der Baron. Er gedenke sie in großen Teilen hier zu parken, ja, in Altenburg und natürlich in D-Mark, vorausgesetzt, die Stadt komme mit der Sparkasse ins reine und biete ihm in Anbetracht der Summe und einer mehrjährigen Laufzeit die notwendigen Konditionen. »Altenburg liegt mir am Herzen«, schloß der Baron.
    Karmekas Aufmerksamkeit war nach innen gekehrt, seine Zunge puhlte an einem Backenzahn. Die Zigarette war bei dem Versuch, sie auszudrücken, abgebrochen und qualmte nun im Aschenbecher vor sich hin. Fliegner war bereits wieder lautlos hinter Karmeka getreten, beugte sich herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Wie kann ich Sie erreichen?« fragte Karmeka. Der Baron deutete auf mich und verbeugte sich, als danke er im voraus für meine Dienste. Sein Lächeln flackerte und erstarb.
    Karmeka, der sich als erster erhoben hatte, faßte den Baron am Ellbogen, als wollte er ihm beim Aufstehen helfen. »Ich werde Ihre Zigarre heute abend im Garten genießen.« Seine Augen leuchteten vor Herzlichkeit. »Auf bald«, sagte er. An mich gewandt, flüsterte er: »Machen Sie weiter so!«
    Im Vorzimmer holte uns Fliegner mit dem Zigarrenetui ein. Von ihm schieden wir grußlos. Schweigend durchquerten wir den Rathaussaal.
    »Unglaublich«, seufzte der Baron, als wir unter den blauen Himmel traten. »Haben Sie so einen schon mal erlebt? So einSchlitzohr? Mimt den Deppen und zeigt uns bei der nächsten Drehung die kalte Schulter!« Der Baron ächzte. »Da haben wir ja ein Früchtchen, so ein Kuckucksei!«
    Derart verärgert hatte ich den Baron noch nie erlebt.
    »Dem müssen Sie mal eins vor den Bug geben, sonst begreift der nicht, mit wem er es hier zu tun hat. ›Machen Sie weiter so!‹ Wie der mit Ihnen umspringt. Haben Sie den Rüssel gesehen, wie der an meiner Zigarre geschnuppert hat? Aber nein, bloß keinen Luxus, das vertragen diese Protestanten nicht!«
    Ich wollte den Baron darauf hinweisen, daß Karmeka Katholik sei, aber er war nicht zu bremsen. »Rathaus weist dreihundert Millionen zurück!« Der Baron setzte Wort für Wort die Schlagzeile in die Luft. »Eins vor den Bug, aber richtig!«
    An unserem Tor stellte er sich mir in den Weg. »Wissen Sie, wie ich das hasse?! Wie ich das Warten hasse!«
    »Aber was hatten Sie denn erwartet?« fragte ich.
    »Ich hasse es, hasse es, hasse es!« rief er.
    Dann aber, als Frau Schorba das Tor von innen öffnete, genügte schon ihr Anblick, um ihn ganz zum Kavalier werden zu lassen. Hinter ihr kam Astrid, der Wolf, angetrabt. Frau Schorba versorgt ihn tagsüber. Da liegt er bei ihr unterm Tisch, wartet auf sein Futter und darauf, daß sie ihn mittags

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