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Neue Leben: Roman (German Edition)

Neue Leben: Roman (German Edition)

Titel: Neue Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Schulze
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winkte ab, hielt aber schon im nächsten Augenblick seine Visitenkarte zwischen den Fingern – »besser eine zuviel als keine« – und schob sie mir über den Tisch zu.
    Clemens von Barrista – weiße Buchstaben auf schwarzem Grund. Sonst nichts. Ich erinnerte mich, den Namen schon einmal gehört zu haben.
    Du bekommst natürlich keine Vorstellung von Barrista, wenn ich Dir die Beschreibung seiner Augen vorenthalte – gegen seine Brille ist Deine Fensterglas! Riesige Glupschaugen, als blickte er durch einen Spion. Ein dunkler Schnauzer verdeckt notdürftig seine Hasenscharte und läßt, wie auch sein schwarzes Haar, die aknevernarbte Haut noch blasser wirken. Offenbar hat er sich mit seiner Erscheinung ausgesöhnt, von Unsicherheit – keine Spur. Er rückte etwas ab vom Tisch. Über dem kleinen Kugelbauch spannte sich das weiße Hemd.
    Je mehr ich mich in seinem Anblick verlor, um so weniger wußte ich, was ich tun sollte. Da erhob sich Clemens von Barrista, sagte etwas wie: »Da läßt sich nichts machen« und reichte mir zum Abschied die Hand. Wo war ich mit meinen Gedanken?!
    »Setzen Sie sich doch«, sagte ich schnell. »Machen Sie es sich bequem.« Er dankte, sah sich in der Redaktion um und verfiel, nachdem er wieder Platz genommen hatte, in ein absonderliches Deutsch, das ich kaum oder gar nicht wiedergeben kann. Er mokierte sich über unsere harten Stühle, das heißt, er pries einen guten Sessel als das »Merkzeichen« von Vernunft, von tatendurstiger, von tatenhungriger Vernunft, und sang ein Lobliedauf den Luxus, auf die Wiedergeburt des Menschen aus dem Geist des Luxus. Sein Rotwelsch gipfelte in der Sentenz: »Schön scheint schön zu sein, gut mag gut sein, doch besser ist besser!«
    Ich fand seine Anspielungen taktlos, nahm das Kissen vom Drehstuhl und bot es ihm an. »Mit Luxus ist hier nicht viel«, sagte ich.
    Das habe er beileibe nicht gemeint! Ein Zitat sei es gewesen, womit er mir ein Kompliment habe machen wollen, ein Zitat aus dem Schatzkästlein eines Verwandten, eines wahren Freundes der Tiere, ein Sprüchlein, das ihm ans Herz gewachsen sei.
    »Was wünschen Sie? Womit kann ich dienen?« fragte ich und spürte, wie seine gestelzte Manier bereits auf mich abfärbte.
    Clemens von Barrista blickte vom Meeresgrund herauf, verbeugte sich leicht und sagte ganz ohne Akzent: »Sie wollten sich bis heute entschieden haben!«
    Nach einer Verbeugung, die seiner nachempfunden war, erwiderte ich, daß wir einander am Dienstag 51 zum ersten Mal begegnet seien, am Hundezwinger der VP nämlich, wo wir zu meinem Bedauern kaum miteinander gesprochen hätten und ohne Verabredung auseinandergegangen seien …
    »Ich habe mir gestern bei Ihnen mein linkes Knie ruiniert«, brauste er auf, »weil das Licht kaputt war und immer noch kaputt ist!« Mit jedem Wort zügelte er seine Ungehaltenheit besser. »Wir haben hier gesessen, und ich habe Vorschläge gemacht. Ihre Zeitung«, er nahm die Brille ab und massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Augen, »ist mir doch empfohlen worden!« Ich beteuerte, davon nichts zu wissen.
    »Dann sind Sie also gar nicht Herr Schröder?« Er glupschte wieder durch seine Gläser.
    Ich stellte mich vor, erwähnte erneut unser Treffen bei der VP und wollte hinaus, um das Flurlicht anzuschalten, als er mich mit einer nachdrücklichen Bewegung seines Oberkörpers stoppte.
    »Es geht um den Besuch des Erbprinzen!«
    Endlich fiel bei mir der Groschen! Natürlich wußte ich von einem Abgesandten des Erbprinzen! Barrista ist ein Bekannter, wenn nicht gar ein Verehrer von Vera! Nur hatte ich ihn mir ganz anders vorgestellt!
    »Sie sind uns angekündigt worden, natürlich mit schönsten Erwartungen allerseits«, entschuldigte ich mich. Ich war aufgesprungen und spürte, als hätte diese Erkenntnis mich meiner Kräfte beraubt, wie schwer mir das Sprechen fiel. Sofort fürchtete ich, ich könnte etwas verderben, etwas sehr Wichtiges. Hatte sich nicht schon bei meinen »schönsten Erwartungen allerseits« ein Lächeln über seine Lippen geschlängelt? Es kann nicht nur an mir gelegen haben, wenn ich von seinem Sermon bloß einzelne Worte und Brocken aufschnappte, so als kämen sie abends um neun auf Mittelwelle. »… exzellenter Ruf! – Leistung, Einsatzbereitschaft, Wille – beträchtlich – kann mir vorstellen – neue Kraft, neue Kräfte – darauf gewartet – auferstanden aus – Vertrauen, Unbescholtenheit – solchen Zeiten – spekuliert – gratulieren, ja, gratulieren.«
    Er

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