Neue Leben: Roman (German Edition)
einfach zu bekommen, da würden meistens die Wege lang. Verlaß sei nur auf die eigene Nase. Deshalb reise er mit nichts weiter als einem Köfferchen, den weitaus größten Teil des Gepäckraums füllten Kühlkisten und seine transportable Höllenmaschine. Die Kellnerin trat zur Seite und wies mit beiden Händen auf einen zweiflammigen Kocher.
»Weiter!« rief Barrista. »Gedünstete Jakobsmuscheln!« Jedem wurde eine serviert, angerichtet mit Kräutern und einer dunklen Sauce, ein chinesisches Gericht.
»Sie werden sich wundern«, kündigte Barrista den nächsten Gang an. Wir sollten keine Angst haben, das sei kein Dessert, sondern ein Nichts, wie er es am liebsten nenne, ein Nichts, das unseren Geschmacksnerven Erholung verschaffen werde, eine Art Pfefferminzeis – es hieß anders und war auch kein richtiges Eis. Dazu reichte er Zigaretten in einer Schachtel herum, die an unsere »Orient« erinnerten.
»Der Erbprinz«, begann der Baron, »läßt Sie herzlich grüßen. Sie sollten vielleicht wissen, daß der Erbprinz nur eine schmale Rente bezieht, die wiederum fast vollständig einbehalten wird, um die Kosten für seine Unterbringung zu begleichen. SobaldSie ihn kennengelernt haben, werden Sie ihn sich zum Freunde wünschen.«
Außerhalb seines Zimmers verfüge Seine Hoheit, wie die richtige Anrede laute, über keinen Besitz und stelle keinerlei Ansprüche, zu denen er, nebenbei bemerkt, auch gar nicht berechtigt sei. Doch sei es immer sein Traum gewesen, noch einmal an jenen Ort zurückkehren zu dürfen, von dem er vor mehr als siebzig Jahren habe scheiden müssen. Er, Barrista, sage das weniger, um eventuellen Argwohn zu zerstreuen, vielmehr fürchte er, an die Person des Erbprinzen könnten sich Erwartungen und Hoffnungen knüpfen, die er in gar keiner Weise zu erfüllen in der Lage sei, sosehr Seine Hoheit das selbst möchte. »Wir haben also«, resümierte Barrista, »nur Geld zu verlieren.« Bei diesem Satz schlug wieder sein englischer Akzent durch. »Sie haben natürlich nichts zu verlieren«, sagte er und hob sein Glas. »Fürs Geldverlieren bin ich zuständig. Ihr Part ist es, mir dabei zu helfen.«
Er machte eine Pause und lächelte über seine Sentenz. »Sie bekommen die Exklusivrechte. Das ist alles.«
»Und was bedeutet das?« fragte Georg, der plötzlich ganz ruhig und gelassen wirkte. Barrista, offenbar froh, daß einer von uns den Mund aufmachte, drehte sich etwas, um Georg besser sehen zu können, und erläuterte in seiner übertriebenen Art: Durch uns, das »Altenburger Wochenblatt«, würden Stadt und Land Altenburg überhaupt erst von dem Besuch erfahren, zu uns müßten die Politiker kommen, wenn sie etwas darüber wissen wollten, bei uns könnten sich die Leute über das Programm seines Besuches informieren und sogar an einem Schnellkurs in Sachen Benehmen bei Hofe teilnehmen, auch wenn der Erbprinz keinen gesteigerten Wert darauf lege. Doch zumindest bemühen sollten sich die Leute. In diesem Moment brachte die Kellnerin vier kugelrunde Salatköpfe, Eisbergsalat, wie Barrista erklärte.Dazu gab es auf einer Platte in Scheiben geschnittene Ingwerente und zwei Schälchen mit einer speziellen chinesischen Sauce. Der Baron schälte ein Blatt vom grünen Eisberg, bestrich es dick mit der braunen Sauce – die sei sowieso das Allerbeste – und wickelte mit bloßen Fingern zwei Scheiben Ente in das Salatblatt.
»Wenn Sie wüßten, wie lange ich darauf gewartet habe! Es gibt nichts Besseres«, sagte er und biß ab. »Absolut nicht«, flüsterte er kauend. Sauce tropfte auf seine Serviette.
Es zähle zu den schönsten Überraschungen seiner Expedition, im Osten noch ordentliche Fleischwaren vorzufinden, unter denen der »Mutzbraten« – er sprach die erste Silbe fälschlicherweise kurz – eine Delikatesse ersten Ranges sei. Und wer weiß, was man daraus noch alles machen könne, denn was einem in den Gourmettempeln von Monaco bis Las Vegas angeboten werde, sei meist einfacher Bauernfraß, nur raffiniert veredelt. Daraufhin kostete er den ersten Schluck aus einer neuen Flasche Weißwein – sog ihn zischelnd durch die Zähne, spitzte die Lippen, ließ sie wie einen kleinen Rüssel hin und her wandern, abschließend ein kurzes Schmatzen. Wir stießen an auf die Hausmannskost.
Das Schweigen, in dem wir die Gläser abstellten, nutzte ich, um ihn endlich nach seinem Beruf zu fragen. Ich hatte ja keine Ahnung, was ich da tat. Sein ganzer Körper wich vor mir zurück. Es war kein Scherz, als er
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