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Neue Leben: Roman (German Edition)

Neue Leben: Roman (German Edition)

Titel: Neue Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Schulze
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ungemein interessant sei.
    Ilona stand mit blutleerem Gesicht am Ofen. »Das könnt ihr doch nicht machen, heij?« Flehentlich wanderte ihr Blick von einem zum anderen. »Ich hab nicht mal einen Arbeitsvertrag …« Sie schluchzte auf.
    Man möge ihn umgehend von unserer Entscheidung unterrichten, fuhr der Baron ungerührt fort, denn der Besuch des Erbprinzen dürfe keinesfalls gefährdet werden. Er führte Ilona hinaus, der Wolf trabte ihnen nach, die Tür blieb angelehnt, so daß man Barristas Tröstungsversuche hörte, die wie der englische Singsang am Abend unserer ersten Begegnung klangen.
    »Wir machen weiter«, sagte Jörg an Marion gewandt. Und dann zu mir: »Stimmt’s, Enrico, wir machen weiter? Auf jeden Fall machen wir weiter!«
    Dann wandte sich Jörg an Georg und fragte ihn fürsorglich wie einen Kranken, wie lange er uns noch das Recht einräume, in seinem Haus zu bleiben, ob Georg einverstanden sei, uns bis Anfang oder Mitte Mai Zuflucht zu gewähren, vorausgesetzt, wir fänden nicht eher etwas, ob Georg – Jörg nannte ihn häufiger als nötig beim Namen – die Miete auf dem bisherigen Niveau belassen könne und ob Georg einen Vorschlag habe, wie wir mit den Telephonkosten verfahren sollten. Georg ließ eine Reihe von »selbstverständlich, selbstverständlich« vernehmen. Jörg schlug vor, Georg bis einschließlich Juli zu bezahlen, also ein Gehalt in D-Mark, ob ihm das reiche für die Übergangszeit.
    Selbstverständlich, das sei sehr großzügig, sagte Georg, das müsse aber nicht sein. Ich denke schon, sagte Jörg. Ob wir bis Monatsende auf ihn zählen könnten. Selbstverständlichselbstverständlich! Er, Jörg, schlage vor, den Artikel über die Schweinemast zu veröffentlichen.
    Ich fand es dann zuviel des Guten, als Georg und Jörg einander über den Tisch hinweg die Hände reichten und Georg auch Marion und mir die Hand hinhielt. Mit glänzenden Augen ging er ab. Im nächsten Augenblick stand Ilona vor uns. Hinter ihr erschien Fred.
    »Setzt euch«, sagte Jörg. In diesen zwei Worten, in diesem simplen »Setzt euch« lagen Leichtigkeit und Autorität, die Jörg als geborenen Chef auswiesen. Endlich konnte er reden, wie er wollte.
    Ein paar Sätze später sprang Ilona vom Stuhl auf und klatschte in die Hände. Fred konnte das Lächeln nicht länger unterdrücken. Man mußte ihnen nicht viel erklären. Das Desaster war kein Desaster. Nur hatte niemand gewagt, so zu denken.
    Drei Artikel, rief Ilona und hielt drei Finger hoch, drei Artikelchen habe Georg in all den Wochen zustande gebracht, drei Stück! Fred brummte, er kenne genügend Geschäftsleute, vondenen wir Werbung bekommen könnten, wenn wir nur wollten.
    Plötzlich stand der Baron wieder auf der Schwelle. Wie man sich denn entschieden habe? Vom ersten Satz an fixierte er ausschließlich mich, als sei ausgerechnet ich für all das verantwortlich. Er hoffe doch sehr, daß ihm in Zukunft solche Kindereien erspart blieben. Er sei es gewohnt, sich auf seine Geschäftspartner zu verlassen. Es nütze ja nichts, einen Plan zu beschließen, an den sich dann keiner halte. Als Jörg etwas einwenden wollte, sah er ihn nicht mal an. Erst als ich sagte, von nun an sei weder eine Irritation dieser Art noch irgendeine Verzögerung mehr zu befürchten, gab er sich zufrieden.
    Genau das habe er erwartet zu hören. Der Baron versprach seinerseits, mich nicht zu enttäuschen, und entnahm seiner Collegemappe vier Päckchen, die er mit den Worten verteilte, wir hätten ja alle Kinder, die sich über einen verfrühten Osterhasen freuen würden. 137 Den allgemeinen Dank überging er und fuhr geradezu ungehalten fort, wie fern es ihm liege, uns weiter vom Arbeiten abzuhalten, er bitte jedoch darum, den Raum ohne Schulden verlassen zu dürfen. Als kleine Unterstützung der Zeitung – und in der Hoffnung auf eine wirkungsvolle Plazierung – wolle er in D-Mark bezahlen, das sei uns hoffentlich recht.
    Kaum hatte er diesen Satz beendet, klingelte das Telephon, das bisher wundersamerweise geschwiegen hatte. Auch aus dem Hausflur kamen Stimmen. Im Handumdrehen waren wir alle beschäftigt, und als ich mich nach dem Baron umsah, war er verschwunden. Vor mir lag der genaue Betrag. 138
    Als ich nachmittags von meiner Landtour zurückkehrte, saßMarion an der Maschine. »Da kommen Sie ja!« rief sie freudig. In Zukunft möchte sie anstelle von Georg Artikel schreiben und mich dadurch entlasten.
    Darauf beging ich den Fehler, ihr das Du anzubieten. Ihre Züge

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