Neue Leben: Roman (German Edition)
CD s und lächelte, weil Robert im Gegensatz zu mir wußte, wie man sie in die Hand nehmen muß, um sie problemlos zu öffnen. 142
In Gegenwart des Barons erschien mir Robert ungeheuer reif. Außerdem beherzigte Robert all das, was Michaela ihm immer predigte, ja er saß so aufrecht da, daß es fast lächerlich wirkte.
Robert wollte wissen, wo der Baron wohne – »Mal hier, mal da« war die Antwort. Seit der Scheidung seien seine Utensilienbei seiner Mutter untergestellt, und er lebe in möblierten Zimmern überall in der Republik. Mit Republik meinte er die Bundesrepublik. Sein Sohn sei vierzehn 143 , zudem heiße er auch Robert und sehe unserem Robert sogar ähnlich. Er zog aus seiner Mappe ein Kuvert mit Photos. Er hatte recht.
Roberts Fragen wurden immer detaillierter, wo er Weihnachten verbringe, wohin er in Urlaub fahre, was seine Hobbys seien? Und jedesmal antwortete der Baron mit Engelsgeduld und sehr freimütig.
Er erklärte uns wieder, außer sich selbst niemanden zu kennen, der den Beruf des Unternehmensberaters so interpretiere wie er, nämlich im Zweifelsfalle Anteile zu übernehmen, zu investieren, weil er keine Probleme damit habe, das Risiko für seine Entscheidungen mitzutragen – vorausgesetzt, man befolge seine Vorgaben. »Eigentlich«, sagte der Baron, ohne den Blick von Robert zu wenden, »geht es um Vertrauen. Und da viel zu viele heute nicht einmal mehr dem Wort eines Ehrenmannes vertrauen, muß ich ihnen halt etwas von ihrem schönen Gewinn nehmen.« Er kaute hastig eine Gurke und fuhr fort. »Bis jetzt haben es alle bereut, die mich mit Anteilen bezahlt haben. Das hätten sie alles billiger haben können, viel billiger.«
Und nach einer weiteren Gurke faßte er zusammen: »Ich mache aus Ideen Geld, um Geld für meine Ideen zu haben.«
Was das bedeute, aus Ideen Geld zu machen, und ob er ihm denn eine Idee verraten könne.
»Und wer sagt mir«, entgegnete der Baron, »daß du sie dann nicht nimmst und einen Haufen Geld verdienst und ich guck in die Röhre?«
»Weil ich es dir verspreche«, sagte Robert, als wäre er gewohnt, solche Unterhaltungen zu führen.
»Ich lese das Wochenblatt sehr genau«, begann Barrista. In der letzten Ausgabe habe er gleich zwei Artikel gefunden, die ihn sofort auf Ideen gebracht hätten. Ob Robert sich vorstellen könne, welche das gewesen seien, er habe doch selbst die Zeitungen verkauft. Robert sah mich an, ich zuckte mit den Schultern. Der Baron meinte die Kommission, die bis Juni die neuen Straßennamen vergeben soll. »Na? Macht es Klick?«
Robert errötete.
»Was macht ein Geschäftsmann als erstes, wenn er nach Altenburg kommt?«
»Er geht ins Hotel«, sagte ich.
»Falsch! Ganz falsch! Woher weiß er denn, wo sich das Hotel befindet?«
»Er hält an und bittet um Auskunft.«
Der Baron bedeckte mit einer Hand die Augen. »Und wenn es ein Uhr nachts ist?« fragte er. »Ein Geschäftsmann«, rief Barrista triumphierend, »fährt zur nächsten Tankstelle und kauft sich – einen Stadtplan!«
Wir überboten uns darin, den Baron zu belehren, daß bei uns die Tankstellen nachts geschlossen seien. Mit einer einzigen Geste brachte er uns zum Schweigen. »Ich schwöre euch«, sagte er, und es klang tatsächlich wie ein Schwur, »daß es in einem Jahr hier nachts um eins an den Tankstellen Stadtpläne gibt! Unsere Stadtpläne!«
Der Baron zog einen Zettel hervor und begann zu kritzeln. »Bevor wir den Druckauftrag erteilen, sollten wir Kosten und Gewinn bereits in der Tasche haben.« Robert blickte ihn wie hypnotisiert an. Das Ganze wird über Werbung finanziert, die den eigentlichen Stadtplan einrahmt.
Nach Abzug aller Kosten bleibe ein Gewinn von ca. dreitausend Mark übrig. Wir nickten anerkennend. Dazu kommt aber noch der gesamte Verkaufserlös. Und wer in Altenburgwürde keinen Stadtplan mit den neuen Straßennamen wollen? Und warum nur Altenburg? Warum nicht Meuselwitz, Schmölln, Lucka, Gößnitz? Und wer sagt, daß es in Altenburg nur einen Plan geben muß? Plötzlich wurden aus den dreitausend dreißigtausend, sechzigtausend. »Sagen wir«, schloß der Baron, »wir reden von einem Reinerlös, der vierzigtausend bis achtzigtausend betragen wird, vierzig- bis achtzigtausend D-Mark! Nur ein bißchen Organisation. Das Geld, meine Herren, liegt auf der Straße. Und dir schenke ich diese Idee!« Damit überreichte er Robert Bleistift und Zettel und lehnte sich zurück.
Die Vorführung war beendet. Wir wußten nicht, was wir tun sollten,
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