Neue Schuhe zum Dessert
nicht vollkommen, aber es war längst nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Rückblickend ist mir klar, dass das an Vivs Warmherzigkeit und der Freundlichkeit unserer Stiefbrüder lag.
Jessie kam mit der Scheidung besser zurecht als ich. Sie wies mich fröhlich auf die Vorzüge hin, die man als Kind aus einer »zerrütteten Ehe« hatte.
»Wir können so frech sein, wie wir wollen, und alle müssen trotzdem nett zu uns sein. Und denk doch mal, die Geschenke! Wenn man das richtig anfängt, kann das mit der Scheidung für uns ziemlich … wie heißt das Wort noch?«
»Lukrativ.«
»Heißt das, dass wir haufenweise Geschenke kriegen?«
»Ja.«
»Also … lukrativ sein.«
Mum gab sich Mühe, vernünftig zu sein und Dads neuer Frau gegenüber eine neutrale Haltung einzunehmen, aber wenn wir am Sonntagabend nach Hause kamen, konnte sie sich meistens nicht verkneifen zu fragen: »Und wie geht es dem Perlenkönig und seiner Königin?«
»Gut. Sie lassen grüßen.«
»Habt ihr gegessen?«
»Ja.«
»Was gab’s? Aal in Aspik und Kartoffelbrei?«
»Fischstäbchen und Pommes.«
Drei Jahre nach ihrer Heirat bekamen Dad und Viv einen Sohn, einen Perlenprinzen. Er wurde Bobby getauft, nach Bobby Moore, dem Fußballhelden von West Ham.
Mir war übel vor Eifersucht: Jetzt, da Dad einen Sohn hatte, würde er keine Zeit mehr für uns haben. Ich war fest entschlossen, mir das Baby nicht anzusehen, und hielt sechzehn Tage an dem Entschluss fest. Erst als Mum mich ins Gebet nahm, gab ich nach.
»Komm, stell dich nicht so an, mein Schatz. Alle lieben dich, aber jetzt sind sie ziemlich enttäuscht, weil du deinen kleinen Halbbruder noch nicht besucht hast. Ob es dir gefällt oder nicht, er gehört auch zur Familie, und wenn ich es schaffe, ihn zu besuchen, dann kannst du es erst recht.«
Schmollend kaufte ich ein Kuschelnilpferd und machte mich mit Jessie auf den Weg nach Dagenham. Jessie erzählte mir eine Geschichte von Bobby nach der anderen, und wie niedlich er sei, aber ich glaubte ihr kein Wort. Bis ich ihn sah. Vorsichtig nahm ich dieses Miniaturwesen auf den Arm, und er lächelte mich an – vielleicht hatte er auch nur Blähungen und machte eine Grimasse, aber egal – und griff mit seinen schrumpeligen Fingern nach meinen Haaren. Wer hätte auf so ein süßes Baby eifersüchtig sein können?
Kurz nach der Geburt des Perlenprinzen lernte Mum Peter kennen, und es gab weitere Neuerungen: Mum würde nach Irland ziehen. Das verunsicherte mich zutiefst: Meine Familie würde in alle Winde zerstreut sein, und ich brauchte sie doch alle so.
Bei Dad gab es für uns keinen Platz: Das Zimmer, in dem Jessie und ich immer geschlafen hatten, war jetzt Bobbys Zimmer. Ich bettelte, dass wir mit Mum nach Irland gehen könnten, und obwohl Mum einverstanden war, war Jessie dagegen. Ihr gefiel es in London, sie wollte dableiben. Als sie mir das mitteilte, reagierte ich auf vertraute Weise und kotzte mein Abendessen wieder aus.
Es war ungeheuerlich: Jessie war achtzehn und ich zwanzig, aber ich hatte das Gefühl, wir würden in verschiedene Waisenhäuser gesteckt. An dem Tag, als ich nach Dublin reiste, heulte ich wie ein Schlosshund.
Ich war nicht nur traurig, weil Jessie und ich uns trennen mussten, sondern auch, weil Peter eine Tochter hatte, Susan, die sechs Monate älter war als ich. Ich rechnete damit, dass sie gegen mich eingestellt sein und mich schlecht behandeln würde, aber das Gegenteil trat ein. Es interessierte sie rasend, ob wir Halbschwestern oder Stiefschwestern waren, und sie war hoch erfreut, als sie herausfand, dass wir nach der Eheschließung von Mum und Peter Stiefschwestern sein würden. »Ich weiß, dass das in London anders ist«, sagte sie, »aber hier ist es ziemlich schick, eine Stiefschwester zu haben.«
Susans beste Freundin war Gemma Hogan, und entgegen allen Erwartungen wurden wir drei enge Freundinnen.
Ein paar Jahre war alles in bester Ordnung; vielleicht ein bisschen zu sehr wie in einem französischen Film, wo jeder mit jedem geschlafen hat. Aber wir verstanden uns alle rundum. Doch nichts bleibt für immer und ewig gleich.
Nach neun Jahren Ehe mit Viv lernte Dad Debs kennen und verliebte sich in sie. Vielleicht spielte Amor gerade einfach verrückt.
Debs war wiederum von ihrem Ehemann mit zwei kleinen Kindern verlassen worden, und Dad beschloss, sie zu retten. Er verließ die liebe, warmherzige Viv und zog zu Debs, der gemeinen Ziege.
Alle nahmen an, dass er nur
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