Neue Schuhe zum Dessert
üble Schelte von ihren Lesern bekamen, und ich schüttelte mich. »Wie können Leute nur so gemein sein?«
»Solange sie nicht zu uns so sind, ist es doch egal«, sagte Anton.
Eine Woche später kam die Nachricht von einer dritten Neuauflage, diesmal wurden fünfzigtausend Stück gedruckt. Dann rief Tania an und fragte: »Ich hoffe, du sitzt.«
»Ich stehe.«
»Pass auf, hör zu. Du, Lily Wright, Autorin von Mimis Medizin , stehst auf dem vierten Platz der Bestsellerliste der Sunday Times .«
»Wie kann das sein?«
»Weil letzte Woche achtzehntausendeinhundertundzwölf Exemplare von Mimis Medizin verkauft wurden.«
»Ist das wahr?«
»Das ist wahr. Herzlichen Glückwunsch, Lily, du bist ein Star! Wir sind sehr stolz auf dich.«
Am selben Tag schickte Dalkin Emery Blumen. In der Daily Mail wurde ich in einem kleinen Artikel als »Phänomen« beschrieben, und an den folgenden Tagen wollte jeder, der bei uns anrief, mit dem »Phänomen« sprechen. Die Buchhandlung in Hampstead, die mein Buch nicht in ihr Sortiment aufnehmen wollte, hatte jetzt ein Plakat an der Tür hängen und mein Buch im Schaufenster ausgestellt. Ich wurde gebeten, eine Signierstunde abzuhalten, aber Anton riet mir, ihnen eine klare Abfuhr zu erteilen. Er bot sogar an, selbst anzurufen. Aber ich beschloss großzügig, ihnen zu verzeihen. Ich war nicht bitter. Ich war von Freude und Glück überwältigt.
Und dann wurde mein Buch im Observer besprochen …
43
Observer, Sonntag, 1. März
MIMIS MEDIZIN , VON LILY WRIGHT.
DALKIN EMERY. 298 SEITEN, £ 6,99
Süß-sauer
Mimis Medizin ist so süß, dass Alison Janssen sauer wird. Für meinen Beruf, in dem ich meinen Lebensunterhalt mit Buchrezensionen verdiene, werde ich oft von meinen Freunden beneidet, aber wenn sie wieder einmal davon anfangen, werde ich ihnen Mimis Medizin in die Hand drücken und darauf bestehen, dass sie es bis zum Ende lesen. Danach werden sie still sein.
Wenn ich sage, dass Mimis Medizin das schlechteste Buch ist, das ich je gelesen habe, dann übertreibe ich wahrscheinlich, aber Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Der Verlag beschreibt das Buch als »Fabel« – und deutet so darauf hin, dass Realismus, dreidimensionale Charaktere und glaubhafte Dialoge nicht zu erwarten sind. Und meine Güte, damit hat er Recht. Es scheint sich um ein ungeschicktes Experiment mit magischem Realismus zu handeln, ohne magisch oder realistisch zu sein. Offen gestanden, die Ausgangssituation ist so fade, dass ich die ersten hundert Seiten auf den Witz wartete.
Und Ihnen wird es nicht anders gehen, wenn Sie hören, was hier als Handlung gilt: Eine mysteriöse, schöne »Dame« erscheint aus heiterem Himmel in einem Dorf, in dem es jede Spielart aus dem Katalog disfunktionalen Sozialverhaltens gibt. Vater und Sohn, die entzweit sind, ein untreuer Ehemann, eine junge, frustrierte Ehefrau – so weit erinnert es an Chocolat .
Doch statt Konfekt zu fabrizieren, verbreitet Mimi ihren Zauber und gibt uns sogar ihr Rezept für ihr Brechmittel mit: »Fügen Sie eine Prise Mitleid, einen Esslöffel Liebe hinzu, und rühren Sie mit Freundlichkeit um.«
Wenn das das Heilmittel ist, dann nehme ich mit dem Problem vorlieb.
Ich war noch nicht halb durch diesen – barmherzigerweise kurzen – Roman, da hatte ich schon das Gefühl, dass ich mit Lakritzschlangen gegeißelt und mit Zuckerwatte erstickt wurde.
Die Autorin, Lily Wright, ist eine ehemalige PR-Frau, sie weiß also alles, was es über zynische Manipulation zu wissen gibt. Und das erkennt man in jedem einzelnen klebrigen Wort. Die »Handlung« ist voller scheuer Hinweise auf Wunder, aber das einzige Wunder ist die Veröffentlichung von diesem Stuss. Er ist so süß, dass es einem die Zähne im Mund faulen lässt, und dabei so unangenehm, als würde man eine Zitrone lutschen.
Mimis Medizin ist schrecklich lahm und gekünstelt und hart an der Grenze zum Unlesbaren. Wenn Sie sich also wieder einmal über Ihren Job beklagen, erübrigen Sie einen Gedanken des Mitleids für diese unglückliche Rezensentin …
Es war mit das Schlimmste, was mir je passiert war. Ein bisschen erinnerte es mich an den Überfall von damals. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, bekam ich ein Summen in den Ohren, als würde ich gleich in Ohnmacht fallen, und ich rannte zur Toilette, wo ich mein Frühstück wieder von mir gab. (Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass ich zu den Schwächlingen gehöre, denen bei der kleinsten Aufregung schlecht
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