Neue Schuhe zum Dessert
brauchte keine Schuldgefühle zu haben.
Ich fühlte mich von jeder Verantwortung befreit, fast war es, als schwebte ich.
»Du darfst nicht vergessen, Lily, unser Leben ist nur kurz, da soll es auch schön sein.«
»Gut, sag mir, wohin.«
Im zweiten Stock fing Anton an, Sachen von den Stangen zu nehmen und sich über den Arm zu legen. Er wählte Sachen, die mir noch nicht aufgefallen waren, manche waren indiskutabel, aber manche waren erstaunlich verlockend. Dies war eine Metapher für mein Leben mit Anton: Er erweiterte mein Gesichtsfeld, er vermittelte mir einen neuen Blick auf das Leben, auf Kleidung – und auf mich.
Er hatte schon eine Verkäuferin an seiner Seite, die auf seine Stimmung einging. Die beiden zusammen überhäuften mich mit schönen Dingen.
Er wollte, dass ich lauter verschiedene Sachen anprobierte: kurze Lederröcke – »du hast die Beine dazu, Lily« – ein schwarzes Lycrakleid mit herausgeschnittenen Feldern – »du hast die Haut dazu, Lily« –, und ich versuchte mich in verschiedenen Identitäten: als magere Rockgöre, als eleganter französischer Filmstar, als Bibliothekarin im Prada-Look. Die schwarze Wolke von Angst war verschwunden, und ich lachte und war vergnügt. Anton zeigte sich von seiner besten Seite: als Mann der großen Gesten, der Extravaganz und der Vision.
Seitdem wir zusammen waren, hat er mir immer wieder Geschenke gemacht – Sachen, die ich mir nie selbst kaufen würde, weil sie verschwenderisch waren. So wie meine Jo-Malone-Reisetasche, die ich in Zeitschriften gesehen und mir gewünscht hatte, wie eine Sechsjährige sich ein rosa Fahrrad wünscht. Ich reiste nur selten mit dem Flugzeug, ich brauchte keine Tasche mit Reisekosmetika, aber Anton, der ein gutes Auge für Details hatte, bemerkte, dass ich die Tasche haben wollte. Und obwohl ich ihm Vorwürfe machte, weil er Geld ausgab, das wir nicht hatten, liebte ich die Tasche so sehr, dass ich sie mit ins Bett nahm. Sie war das Einzige, was ich Zulema nicht geben würde.
Er spielte dieses Einfühlungsvermögen – du brauchst es zwar nicht, aber du möchtest es haben – voll aus und trug immer neue Sachen in die Umkleidekabine. Ich durfte den Preis nicht wissen, er sagte: »Ich mache die Tür nur zu, wenn du mir versprichst, nicht auf die Preisschilder zu gucken.«
Nachdem ich eine Stunde damit zugebracht hatte, die Sachen zu probieren, traf ich meine Entscheidung: eine schwarze Hose mit einem ungewöhnlichen Schnitt und dazu ein Top, das die Schultern freigab. Dann überredete Anton mich, einen der kurzen Lederröcke und ein figurbetontes Kaschmirkleid zu kaufen.
»Kann ich die Hose und das Top gleich anbehalten?«, fragte ich.
Verglichen mit diesen schönen Sachen waren die, in denen ich gekommen war, alt und ausgebeult. Nach Monaten in Staub und Bauschutt sehnte ich mich nach funkelnagelneuen Sachen.
»Tu, wonach dir zumute ist.«
Anton ging zur Kasse und bezahlte, und an den bewundernden Blicken der Mädchen an der Kasse erkannte ich, dass sie ihn für einen reichen Fatzke und mich für eine verwöhnte Zicke hielten. Wenn sie nur wüssten, dass Anton und ich beteten, die Kreditkarte möge akzeptiert werden.
Sie wurde akzeptiert, und das Kleid und der Rock wurden zusammen mit meinen scheußlichen alten Klamotten in Seidenpapier eingewickelt. Als wir mit unseren Tüten abzogen, sagte Anton: »Jetzt kommen die Schuhe dran.«
»Was für Schuhe? Du forderst unser Glück heraus.«
»Das brauche ich nicht. Es ist uns hold.«
So war das mit Anton. Wenn er einen guten Tag hatte, war das Leben mit ihm überreich. Ich folgte ihm und fügte mich glücklich. Es dauerte nur wenige Minuten, und er hatte die perfekten Schuhe gefunden – Stiefel, um genau zu sein. Ich zog sie an, und sie schmiegten sich an meine Füße und vermittelten mir großes Wohlgefühl.
Anton sah mir zu, sein Gesicht drückte Entschlossenheit aus. »Sie gehören dir.«
»Es sind Jimmy Choos! Ich will gar nicht wissen, was sie kosten.«
»Du bist eine Bestsellerautorin. Du hast Jimmy-Choo-Stiefel verdient.«
»Ist gut.« Mir entfuhr ein – leicht hysterisches – Kichern. »Warum nicht?«
»Möchtest du sie gleich anbehalten?«
»Ja. Und was soll ich mit meinen Haaren machen?«
»Blanaid hat für dich morgen einen Termin in einem hippen Laden in Soho ausgemacht.«
Blanaid war seine und Mikeys Assistentin. »Sie sagt, alle Models gehen da hin. Aber sie hat dich nicht für eine Tranplantation gebucht«, fügte er rasch
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