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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und Anton.«
    »Ja«, gab ich zu. »Aber wenigstens habe ich ihn nie dabei ertappt, dass er ein rotes Mieder und schwarze Strümpfe anhatte und vor meinem Frisiertisch-Spiegel masturbierte.«
    »Wovon um alles in der Welt redest du?«, fragte sie mich mit gerunzelter Stirn.
    Auch ich runzelte die Stirn. »Ach, nichts. Ich sage nur, wie gut, dass das nie passiert ist. Es würde die Dinge zwischen uns ungeheuer viel schwieriger machen, denn ich müsste jedes Mal, wenn wir uns sehen, lachen.«
    »Und was sollte das mit dem Türrahmen?«
    »Nur, dass ich froh bin, dass mir das erspart geblieben ist.«
    Ein Schatten fiel auf ihr Gesicht, sie zog Ema beschützend an sich und sagte: »Sollen wir Pfannkuchen machen gehen?«
    Sie verschwanden in die Küche, und ich zog mich langsam an und saß in dem sonnigen Fenstersitz und summte vor mich hin, als das Knirschen der Räder eines zwanzig Jahre alten Jaguars auf dem Kies unten Dads und Poppys Ankunft aus London ankündigten.
    Mum sah zu, wie Dad ausstieg, und sagte: »Ich hab’s mir schon gedacht, er weint. Dieser schreckliche Hang zur Sentimentalität. So unattraktiv.«
    Sie machte die Haustür auf, und Ema war so aufgeregt, Poppy zu sehen, dass sie nach Luft zu ringen begann. Die beiden rannten Hand in Hand davon und wollten Unsinn anstellen, und Dad umarmte mich so heftig, dass ich auch nach Luft ringen musste.
    »Meine Kleine«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Ich bin ganz außer mir. Welches Glück, dass nichts passiert ist.«
    »Ich weiß.« Ich entwand mich ihm und atmete tief ein. »Wenn du genau drüber nachdenkst, dann hatte ich mein Leben lang Glück.«
    Er sah mich verdutzt an, aber weil ich dem Tod so knapp entgangen war, musste er mich vorsichtig behandeln.
    »Denk doch mal nach«, sagte ich. »Wie oft habe ich im Sommer Cola aus der Flasche getrunken, und nicht einmal hat mich eine Wespe gestochen, die in die Flasche gekrochen war. Nie habe ich einen anaphylaktischen Schock bekommen, bei dem meine Zunge zu der Größe eines Tennisballs angeschwollen wäre. Das ist doch toll, oder?«
    Mum sah Dad an. »Sie redet die ganze Zeit so dummes Zeug. Warum, Lily?«
    »Wollte mich nur unterhalten.«
    Wir verstummten verlegen und waren froh, dass wir Emas und Poppys glückliche Stimmen hören konnten. (»Böser Hund. Ekliger Hund.«) Mum sah zu den Kindern hinüber, dann drehte sie den Kopf herum und sagte: »Woran denkst du jetzt?«
    »Nichts! Ich bin einfach nur froh, dass meine Zehennägel alle in die richtige Richtung wachsen. Einwachsende Zehennägel zu haben, muss schrecklich sein. Und die Operation, bei der sie entfernt werden, klingt scheußlich.«
    Mum und Dad sahen sich an. (»Schmutziger Hund. Haariger Hund.«)
    »Du solltest zum Arzt gehen.«
    Ich glaubte nicht. Ich war einfach nur vollkommen dankbar, wie mir das manchmal nach einer Katastrophe passierte. Ich versuchte zu erklären: »Gestern hätten Ema und ich auf verschiedenste Weise sterben können. Wir hätten von einem Rohrstück erschlagen werden können, ich hätte das Auto in den Graben fahren können, weil ich nicht sehen konnte, wohin ich steuerte, oder ich hätte auf den Lastwagen auffahren können. Weil wir in mehr als nur einer Hinsicht gerettet worden sind, muss ich an all die schrecklichen Dinge denken, die die ganze Zeit passieren könnten, aber nicht passieren. Und obwohl nicht alles so gut für mich läuft, bin ich doch sehr froh.«
    Sie sahen mich ausdrucklos an, und ich redete weiter: »Heute Nacht habe ich geträumt, dass ich Ema durch eine Wüstenlandschaft trug, und vom Himmel fielen große Steinbrocken, die uns knapp verfehlten, und die Erde öffnete sich in großen Spalten hinter uns, wo wir gerade gegangen waren. Aber Ema und ich waren unverletzt, und vor mir öffnete sich der Weg in ein sicheres Gebiet, genau in dem Moment, als ich es brauchte.«
    Ich hatte alles gesagt. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos. Schließlich sprach Dad. »Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung.«
    Er sah Mum an. »Guck, was wir angerichtet haben. Das ist unsere Schuld.«
    Er redete geschwollen davon, dass er mich zu einem Arzt in der Harley Street bringen wollte, nur das Beste sei gut genug, aber Mum brachte ihn zum Schweigen. »Red doch nicht solchen Unsinn.«
    »Danke, Mum.« Wenigstens sie verstand, worum es ging.
    Dann sagte Mum: »Der Arzt im Dorf tut es auch.«
     
    Ich versuchte es zu verbergen, ich schaffte es nicht. Es war wie damals, als ich überfallen worden war, nur genau

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