Neue Schuhe zum Dessert
waren, waren auch gekommen, um es aufzubauen. Ich hatte vier Chemietoiletten in Empfang genommen, eine Mannschaft von Schreinern war dabei, Laufstege zu zimmern, und ich hatte den Zoll am Telefon überredet, einen Lastwagen voller Tulpen ins Land zu lassen. Als die Kochherde für das Küchenzelt geliefert wurden – zwei Tage zu früh, aber immerhin waren sie gekommen –, saß ich mit laufender Heizung im Auto und wählte Dads Büronummer, um ihn wieder zu bitten, nach Hause zu kommen.
Er sagte nein, sanft aber bestimmt, und dann musste ich eine Sorge aussprechen, die übers Wochenende in mir aufgestiegen war. »Dad, was soll Mam finanziell machen?«
»Hast du den Brief nicht bekommen?«
»Welchen Brief?«
»Es gibt einen Brief, in dem alles erklärt ist.«
Ich rief sofort Mam an, und die nahm ab und hauchte: »Noel?«
Mein Herz wurde mir schwer. »Nein, Mam, ich bin’s. Haben wir einen Brief von Dad bekommen? Guck doch bitte mal nach.«
Sie ging und kam zurück. »Ja, da ist ein Brief an mich, der offiziell aussieht.«
»Wo war er?«
»Auf der Fensterbank, bei den anderen Briefen.«
»Aber … warum hast du ihn nicht aufgemacht?«
»Ach, diese offiziellen Sachen überlasse ich immer deinem Vater, der soll sich darum kümmern.«
»Aber dieser Brief ist von Dad. Von Dad an dich. Kannst du ihn bitte aufmachen?«
»Nein. Ich warte, bis du nach Hause kommst. Ach, und Doktor Bailey war noch einmal hier, er hat mir ein Rezept für Schlaftabletten dagelassen. Wie kriege ich die jetzt?«
»Geh doch schnell zur Apotheke«, ermunterte ich sie.
»Nein«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ich geh nicht aus dem Haus. Kannst du nicht gehen? Die Apotheke hat doch bis zehn geöffnet, bis dahin bist du ja wieder hier, oder?«
»Ich gucke, was sich machen lässt.« Ich klappte das Telefon zu und schlug die Hände vors Gesicht. (Dabei drückte ich versehentlich den Wiederwahlknopf und hörte, wie meine Mutter hauchte: »Noel?«)
Als ich um halb neun nach Hause fuhr, kam es mir fast so vor, als würde ich den halben Tag freinehmen. Ich fuhr so schnell ich konnte, wurde auch nicht von der Polizei abgehalten, kam bei Mam an, schnappte mir das Rezept und brauste zur Apotheke.
Der nette Mann war nicht da, Gott sei Dank. Ich gab das Rezept einer gelangweilt wirkenden jungen Frau, doch dann kam der nette Mann hinter der Abtrennung hervor und sagte munter: »Hallo.« Wohnte er vielleicht in der Apotheke?, fragte ich mich. Lebte er von Fruchtschnitten und Hustenbonbons und bettete nachts sein Haupt auf weiche Hühneraugenpflaster?
Er nahm das Rezept und murmelte freundlich: »Sie schlafen schlecht, ja?« Er sah mich an, und bei dem Anblick schüttelte er mitleidsvoll den Kopf. »Die Antidepressiva haben am Anfang oft diese Wirkung.«
Seine Anteilnahme – obwohl bei mir an der verkehrten Adresse – war tröstlich. Mit einem kleinen dankbaren Lächeln ging ich nach Hause zu Mam, wo wir uns hinsetzten und den unangenehmen Brief von Dad aufmachten. Er war von seinem Anwalt. Himmel, wie ernst war es denn? Obwohl mir vor Müdigkeit die Buchstaben vor den Augen verschwammen, erfasste ich den Inhalt.
Dad schlug eine, wie er es nannte, Interimsfinanzregelung vor. Das klang bedrohlich, denn es schien eine dauerhaftere Regelung für die Zukunft anzukündigen. In dem Brief hieß es, er würde Mam jeden Monat eine bestimmte Summe überweisen, die für den Haushalt und die Hypothekenrückzahlungen reichen müsste.
»Gut, lass uns mal nachrechnen. Wie hoch sind die Rückzahlungen?«
Mam sah mich an, als hätte ich sie gebeten, mir die Relativitätstheorie zu erklären.
»Und was ist mit den Nebenkosten? Wie hoch ungefähr ist die Stromrechnung?«
»Ich … ich weiß es nicht. Noel bezahlt die Rechnungen. Es tut mir Leid«, sagte sie so unterwürfig, dass ich einfach nicht weitermachen konnte. Ich war wie gelähmt.
Es fiel mir schwer, zu glauben, dass Mam mal gearbeitet hatte – in einem Großraumbüro, wo sie Dad kennen gelernt hatte. Als sie mit mir schwanger war, hörte sie auf zu arbeiten; nach der ersten Fehlgeburt wollte sie nichts riskieren. Vielleicht hätte sie nach meiner Geburt sowieso aufgehört zu arbeiten, weil das damals für irische Mütter das Normale war. Andere Mütter suchten sich wieder eine Arbeit, als ihre Kinder zur Schule gekommen waren, aber Mam nicht. Ich war zu kostbar, sagte sie. Banaler ausgedrückt, wir brauchten das Geld nicht; obwohl Dad nie zum Geschäftsführer mit einem
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