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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Mercedes-Firmenwagen aufstieg, hatten wir immer ausreichend Geld.
    »Ich glaube, wir haben genug nachgerechnet« sagte ich mit einem Seufzer. »Gehen wir ins Bett.«
    »Ich muss dir noch was sagen«, murmelte sie. »Ich habe einen Ausschlag.« Sie streckte das Bein aus und zog den Rock nach oben. Tatsächlich, ihr Oberschenkel war mit roten Pusteln übersät.
    »Du musst damit zum Arzt gehen.« Meine Mundwinkel zuckten. Ein Anfall von Hysterie.
    Sie musste auch lachen. »Ich kann doch nicht schon wieder Doktor Bailey anrufen, damit er einen Hausbesuch macht.«
    Und ich kann nicht schon wieder zur Apotheke gehen. Der nette Mann muss denken, ich bin komplett übergeschnappt.
     
    Am Dienstagmorgen gab es Spannungen in Kildare. Der Innenraumdesigner und seine achtköpfige Mannschaft schwärmten ein und verwandelten das nach feuchter Wiese riechende Zelt in eine Szene aus Tausendundeiner Nacht . Aber das Zelt war noch nicht vollständig aufgebaut, sodass die verschiedenen Mannschaften umeinander herum arbeiten mussten, und als die Zeltbauer auf eine Stoffbahn von goldenem Satin traten, waren die Kampflinien abgesteckt.
    Der Innenraumdesigner, ein schwuler Muskelprotz mit geföhnten Haaren, nannte den Zeltbauer einen »Brutalo mit zwei linken Händen«.
    Der Zeltbauer fand es jedoch außerordentlich lustig, als »Brutalo mit zwei linken Händen« bezeichnet zu werden, und sagte immer wieder: »Hört euch das an, Jungs, ich bin ein Brutalo mit zwei linken Händen. Ein Brutalo !« Dann nannte er den Muskelprotz »eine dicke, fette Schwuchtel«, was genau der Wahrheit entsprach, aber der Herstellung eines harmonischen Arbeitsverhältnisses zuwiderlief, und ich musste mein beträchtliches Verhandlungsgeschick aufwenden, damit die Designerleute nicht wie Primaballerinen (wie sonst?) von dannen schwebten.
    Als die Ruhe wiederhergestellt war, ging ich raus in die Kälte und wählte, in der Hoffnung, ungestört zu sein, Tante Gwens Nummer in Inverness. Sie machte einen Minikreischer und sagte, wie schön, von mir zu hören, wie alt ich sei, aber ich unterbrach sie unhöflich – es ging nicht anders, die Zeit war knapp. Ich umriss die Situation mit Dad in wenigen Worten und sagte am Schluss: »Ich dachte, vielleicht könntest du mal mit ihm reden.«
    Tante Gwen wurde auf der Stelle zu einer unbeholfenen alten Dame: »Also, ich weiß nicht … ich kann doch nicht … es steht mir gar nicht zu … eine Freundin, hast du gesagt … was soll ich denn zu ihm sagen …«
    Ich wurde auf eine Bewegung aufmerksam. Auf der freien Fläche zwischen den Chemieklos und dem Laufsteg kamen die Innenraumdesigner und die Zeltbauer aus dem Zelt gestürmt, und zu meinem Entsetzen schienen sie kampfbereit Aufstellung zu nehmen. Einige von den Zeltbauern rollten sich schon die Ärmel hoch, und einer von der Designermannschaft schwang seine Evian-Flasche über dem Kopf. Ich musste auflegen.
    »Ja, danke, Tante Gwen«, und während sie noch ihre lauwarmen Ausflüchte vorbrachte, klappte ich mein Handy zu und eilte über den frostigen Boden.
    Später versuchte ich es bei Tante Eilish in Rhode Island. Aber sie hatte sich mit schlechten Menschen umgeben, mit solchen, die dauernd Therapien machten und sich auch dann nicht zu einer klaren Aussage durchringen konnten, wenn man ihnen eine Pistole an die Schläfe hielt. Sie sagte: »Wir sind doch alle erwachsen. Dein Vater ist für sein Leben verantwortlich, und deine Mutter für ihres.«
    »Das heißt also ›nein‹, wenn ich das richtig verstehe.«
    »Nein. ›Nein‹ ist eine andere Art von Möglichkeit. Ich glaube nicht an das Wort ›nein‹.«
    »Aber du hast es gerade gesagt.«
    »Nein, gar nicht.«
    Später versuchte ich es mit Gerry Baker, Dads Golfpartner, der laut und gekünstelt auflachte. »Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich von Ihnen hören würde. Beziehungsweise von Ihrer Mutter. Ich vermute, Sie möchten, dass ich mit ihm rede.«
    »Ja!« Gott sei Dank, endlich war jemand bereit zu helfen. »Würden Sie das tun?«
    »Das ist gar nicht nötig. Er wird früher oder später zur Besinnung kommen.«
    Frustriert rief ich Mrs Tyndal an, weil ich hoffte, sie würde sich ein bisschen um Mam kümmern. Keine Chance. Sie war auffallend kühl und tat so, als wäre jemand an der Tür, damit sie auflegen konnte.
    Ich hatte mal gehört, dass verlassene Frauen darüber klagten, ihre »Freundinnen« würden sie fallen lassen, weil sie befürchteten, sie würden sich an ihre Ehemänner ranmachen.

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