Debbie Reynolds, zum Beispiel. Und was ist mit ihren Haaren passiert?«
»Die Ansätze sind rausgewachsen, mehr nicht. Sie weigert sich, zum Friseur zu gehen.« Ich hatte Dads Abwesenheit an der Länge der herausgewachsenen Haaransätze gemessen. Sie waren viel zu lang.
»Sie lässt sich gehen.« Cody machte eine wirkungsvolle Pause. »Das Gleiche könnte dir passieren. Denk drüber nach.«
Dann verschwand er wie ein Kreuzritter mit wehendem Umhang.
Man betrachtet seine eigenen Eltern nicht mit dem gleichen Blick, mit dem man andere Menschen anguckt, aber man könnte sagen, dass Mam auf rundliche Weise recht hübsch gewesen war. Wohlgeformte Waden, volle Oberarme, eine hübsche Taille, kleine Hände und Füße. (Ich sehe ihr ziemlich ähnlich, was bedauerlich ist, denn diese Art von Figur ist zurzeit sehr unmodern.)
Lange Zeit hatte sie jünger als Dad ausgesehen, und ich kann mich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern, als das umschlug, aber jetzt sah sie älter aus. Bis zu der gegenwärtigen Krise hatte sie sich immer die Haare machen lassen – natürlich hat sie sich nicht eine fedrige Föhnfrisur schneiden lassen, aber ich wusste, dass sie beim Friseur gewesen war, weil ihre Haare dann glänzender und fester in Form waren. Das Wichtige ist ja nur, dass sie sich gepflegt hat. Und sie hatte eine Schwäche für Klamotten, wobei ich wohl kaum hinzuzufügen brauche, dass es Sachen waren, in denen ich auch dann nicht gern gesehen worden wäre, wenn mein Leben dran gehangen hätte: Strickjacken mit Applikationen, Blusen mit glänzenden Knöpfen. Wenn es Schlussverkaufszeit war, fuhr sie immer mit dem Bus in die Stadt und kam triumphierend nach Hause. »Es war das reinste Tollhaus – all die alten Weiber, die einen schubsen und dir den Ellbogen in die Rippen stoßen –, aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen.«
Zufrieden breitete sie die ergatterten Waren ihrer Einkaufsfahrt auf dem Bett aus und forderte mich auf zu raten, was sie gekostet hatten.
»Gott, weiß ich doch nicht.«
»Na, rate doch mal!«
»Vorher oder im Schlussverkauf?«
»Vorher.«
»Fünfundsiebzig Pfund.«
»Fünfundsiebzig? Das ist reine Wolle!«
»Hundert.«
»Mehr.«
»Hundertfünfzig.«
»Weniger.«
»Hundertdreißig.«
»Richtig! Und jetzt rate mal, wie viel ich dafür bezahlt habe.«
»Vierzig?«
»Ach, komm, Gemma, so spielt man das nicht.«
»Hundert.«
»Weniger, viel weniger.«
»Neunzig?«
»Weniger.«
»Siebzig?«
»Schon wärmer.«
»Sechzig?«
»Mehr.«
»Fünfundsechzig.«
»Ja!! Zum halben Preis. Und es ist reine Wolle!«
Das gleiche Spielchen mussten wir mit jedem Teil machen, das sie erstanden hatte, und Dad freute sich immer mit ihr. »Das gefällt mir gut, Liebes.« Und zu mir sagte er oft ganz ernsthaft: »Gemma, deine Mutter ist eine elegante Frau.«
Ist es ein Wunder, dass ich aus allen Wolken fiel, als er sie verließ?
Allerdings musste er auch mit ihr das ganze Rate-den-Preis-Spiel machen, vielleicht ist es doch nicht so überraschend.
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[email protected]THEMA: Untreue Tomate
Ich muss dir was erzählen. Andrea kommt bei der Arbeit mit glänzenden Augen zu mir gerannt und plappert los: »Ich habe das Buch von Lily Wright gelesen!« Als ob sie sich eine Medaille verdient hätte, weil sie es gelesen hat. Sie sagte, sie fand es toll und es hat sie in großartige Stimmung versetzt. Dann hat sie den Ausdruck auf meinem Gesicht gesehen und den Mund gehalten. Mann, die Leute sind so blöd.
Seit dem Tag, als ich den Tiramisu-Riegel nach ihm geworfen habe, haben weder Mam noch ich Dad gesehen. Er ruft nicht einmal an – keinen von uns. Kannst du dir das vorstellen? Ich spreche nur mit ihm, wenn ich ihn bei der Arbeit anrufe und Colette nicht da ist, um zu sagen, dass er beim Zahnarzt ist. Er kommt nicht nach Hause, um sich andere Sachen oder seine Post zu holen, nichts. Er bat mich, ihm seine Briefe nachzusenden, aber ich habe mich geweigert, weil ich dachte, dann muss er kommen. Aber er kommt trotzdem nicht. Er sagte: »Ach, wahrscheinlich sind es nur Rechnungen und so, nicht so wichtig.«
Ich überlegte, bevor ich weiterschrieb. Bevor ich Susan davon schrieb, dass ich in den letzten zwei Wochen jeden Morgen um fünf Uhr aufgewacht war. Dass ich dann an die Zukunft dachte – und vor Panik fast keine Luft mehr bekam. Ich war zweiunddreißig, und es sah ganz so aus, als wäre mein Leben vorbei. Wann würde wieder