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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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sollen sich wohl an dem Geschimpfe beteiligen. Ich habe versucht, ihn einen »blöden Mistkerl« zu nennen, und Mrs Kelly sagte: »So ist’s recht.« Doch dann kamen mir die Tränen, und da war sie sichtlich verärgert.
    Die Sache mit Dad hat viele Schichten. Manchmal denke ich, jetzt hätte ich verstanden, dass Dad weggegangen ist und alles kaputtgemacht hat, worauf mir leichter ums Herz wird, und ich das Gefühl habe, er wird jetzt bald zurückkommen. Aber dann wird mir die Tatsache, dass er nicht zurückgekommen ist, noch deutlicher bewusst und viel schmerzlicher als zuvor. Aber wie gesagt, wir warten einen Monat ab, dann werden wir sehen.
    Und was den Zauberstab angeht: danke für deinen Hinweis, dass ich schon immer eine Schwäche für Kitsch hatte. Allerdings weiß ich nicht, was an meiner »Kitty goes to New York«-Duschhaube kitschig sein soll. Sie ist hübsch, außerdem ist sie sehr praktisch.
    Die ganze Woche bin ich wieder im Büro. Es ist eine große Erleichterung, nur zehn Stunden am Tag zu arbeiten – und die Geschäfte in der Nähe zu haben. Ich kaufe wieder ein. Seltsame Sachen. Gestern Mittag habe ich einen Schlüsselring in Form eines gläsernen Stöckelschuhs gekauft, mit einer blauen Blume auf der Spitze. Und ich habe mir die Nägel in zehn verschiedenen Farben lackiert, eine Farbe pastelliger als die andere. Wie schön, dass wir schon reifer sind.
    Wie auch immer, weiter im Trott. Schick mir einen Witz.
    Liebste Grüße
    Gemma xxx
     
     
    An dem Abend fuhr ich – wie an den meisten anderen Abenden auch – auf dem Weg von der Arbeit bei der Apotheke vorbei, um was für Mam zu holen. Diesmal war es ein Puder gegen Fußpilz – weiß der Himmel, wie sie sich den zugezogen hat. Aber bevor ich noch darum bitten konnte, sagte der nette Mann hinter der Theke: »Sie waren aber schwer in Form am Samstag.«
    Das Blut wich mir aus dem Gesicht, und meine Arme und Beine fingen wieder mit dem Zittern an, was sehr ärgerlich war, denn es hatte gerade erst aufgehört.
    »Wo haben wir uns gesehen?«, fragte ich mit blutleeren Lippen.
    Er stutzte, sah mich überrascht an, schien verlegen und sagte: »Im Hamman.«
    »Im Hamman?« Herr im Himmel, wen hatte ich sonst noch alles am Samstag im Hamman getroffen?
    »Kommt das etwas … überraschend?«
    Allerdings. Das Ganze. Dass ich den Mann aus der Apotheke im Hamman getroffen hatte und mich nicht daran erinnern konnte. Und dass er seinen Platz hinter der Theke verlassen durfte. Was hatte er wohl angehabt? Ich konnte ihn mir nicht vorstellen, außer in seinem weißen Kittel. War er mit lauter anderen Apothekern da, alle in weißen Kitteln?
    »Ich war voll«, flüsterte ich.
    »Es war ja Samstagabend«, sagte er. Aber dann wurde er streng und sagte: »Hat Ihnen Ihr Arzt nicht gesagt, dass Sie keinen Alkohol trinken dürfen, solange Sie die Antidepressiva nehmen?«
    Jetzt musste ich es ihm gestehen. »Nein«, sagte ich, »denn wissen Sie, die Medikamente, die ich hier geholt hatte, die waren nicht für mich, sondern für meine Mutter. Es tut mir Leid, dass ich das nicht eher gesagt habe, aber irgendwie ergab sich nie ein geeigneter Zeitpunkt.«
    Er machte einen Schritt zurück, guckte nachdenklich und nickte, während er die Information verdaute. »War denn gar nichts für Sie?«
    Ich ging die lange Liste der Medikamente durch, die ich für Mam geholt hatte – nicht nur die Antidepressiva, die Beruhigungspillen und die Schlaftabletten, sondern auch das Antihistamin für den Ausschlag, das Maloxan für den Magen, die Schmerztabletten für die Nebenhöhlen …
    »Der Nagellack war für mich.«
    »Wissen Sie was?«, sagte er nachdenklich. »Ich komme mir vor wie ein Idiot.«
    »Das sollten Sie nicht«, entgegnete ich. »Es war meine Schuld, ich hätte es Ihnen gleich sagen sollen, und es hat mir gut getan, dass jemand nett zu mir war, auch wenn ich gar nichts hatte.«
    »Na gut.« Er schien sich immer noch unwohl zu fühlen.
    »Nur aus Neugier«, sagte ich, »wie ist es denn im Hamman?«
    »Ach, es geht. Das Publikum ist ein bisschen jung.«
    Sofort überlegte ich, wie alt er sein könnte – bis zu dem Zeitpunkt war er für mich der Mann ohne Alter. Eigentlich hatte ich ihn gar nicht als Menschen betrachtet, sondern nur als wohlwollende Präsenz, die Pillen aushändigte und damit verhinderte, dass meine Mam völlig überschnappte.
    »Das liegt an dem weißen Kittel«, sagte er, als könnte er meine Gedanken lesen. »Sehr entmenschlichend. Ich bin

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