Neue Schuhe zum Dessert
Verfasser, sie sollten bloß nicht ihre feste Stelle aufgeben.
Manchmal fühlte Jojo sich an Dokumentarfilme über Rio oder Caracas oder andere Städte in Lateinamerika erinnert, wo Schwärme von bettelarmen Menschen überlebten, indem sie die Müllhalden der Stadt nach Verwertbarem durchsuchten, das sie verkaufen und tauschen konnten.
»Die ersten drei Kapitel von einer Geschichte mit dem Titel Liebe und der Schleier «, sagte Pam. »Es ist fantastisch.«
»Von wem?«
»Nathan Frey.«
»Nie gehört. Zeig mal.«
Nach zwei Seiten war Jojo wie gebannt. Alle ihre Alarmglocken hatten angefangen zu schrillen, und sie war so aufgeregt, dass sie fast das Atmen vergaß. Welch ein Glück, dass Pam dieses Manuskript erwischt hatte, und nicht eine der anderen.
Als sie die drei Kapitel gelesen hatte, sprang sie auf. »Manoj, ruf den Typ an. Sag ihm, wir müssen den Rest lesen. Schick einen Fahrradkurier.«
Es hatte keinen Sinn, ein Angebot zu machen, bevor sie nicht das ganze Buch gesehen hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein viel versprechender Anfang mit einer Geschichte von drei Meter großen Echsen endete, die die Welt beherrschten.
AN: Jojo.harvey@LIPMAN_HAIGH.co
VON: Mark.avery@LIPMAN_HAIGH.co
THEMA: Du machst mich
o selig!
Mxx
Jojo spielte damit herum. Manche Leute haben Affären, dachte sie, und lernen alles über tantrischen Sex. Ich hingegen lerne, wie man kryptische Anagramme löst.
Während sie auf Nathan Freys Buch wartete, kritzelte sie auf ihrem Block herum. Gleich darauf hatte sie die Lösung gefunden: So geil!
Eine Stunde und fünfundfünfzig Minuten später
(ein absoluter Rekord)
Manoj legte ihr das vollständige Manuskript so vorsichtig in die Hände, als wäre es ein Baby.
»Fantastisch. Wirklich, hervorragend. Danke.«
»Alle Anrufe abfangen?«
»Du bist mir um Längen voraus.«
Jojo legte mit Schwung die Füße auf den Tisch und tauchte in das Buch ein. Es war eine wunderschön geschriebene Liebesgeschichte zwischen einer Afghanin und einem britischen Geheimdienstler. Eins der seltenen Bücher, die Spannung, große Gefühle, Menschliches und viel Sex zu bieten hatten.
Sehr viel später
Manoj streckte den Kopf durch die Tür. »Kommen Echsen vor?«
»Bisher noch nicht. Sieht gut aus.«
»Wir gehen ins Pub.«
»Du vergnügungssüchtiger Mensch.«
»Es ist Freitagabend. Komm doch auch. Ich bin jetzt schon fast drei Wochen hier, und du hast mir noch nicht einmal einen Drink spendiert. Ich habe mir erzählen lassen, dass du dich mit Louisa dauernd betrunken hast.«
»Von wegen! In den letzten neun Monaten war sie schwanger. Ich muss das hier zu Ende lesen, ich kann jetzt nicht aufhören.« Besonders, da sie das wunderbare Gefühl hatte, dass die Geschichte tragisch endete – was fast eine Garantie für gute Besprechungen war, vielleicht sogar für einen Preis.
Aber Manoj hatte Recht, früher war sie öfter mit den anderen aus dem Büro ausgegangen. Es waren feuchtfröhliche Abende gewesen, bei denen reichlich Wodka-Cocktails gebechert wurden und die Frauen anschließend in einem Club weiterfeierten und Männer anbaggerten. Aber Jojo hatte ihren Mann gefunden …
Kaum war sie wieder in ihr Buch abgetaucht, als jemand anders fragte: »Kommst du mit ins Pub?«
Jim Sweetman, der Leiter der Medienabteilung und der jüngste Partner.
»Nein.«
»Du kommst nie mit in letzter Zeit.«
»Hat Manoj dich zu mir geschickt?«
Jim runzelte die Stirn. »Habe ich dich beleidigt? Habe ich im Zustand der Trunkenheit versucht, dich zu küssen?«
»Nein. Weißt du, wieso ich das weiß? Du hast noch alle deine Zähne.« Sie lachte. »Ich muss dieses supertolle Buch noch zu Ende lesen, und um neun habe ich einen Termin bei deiner Hypnotiseurin. Weil ich mit dem Rauchen aufhören will, du erinnerst dich, oder?«
»Ah. Viel Glück.«
»Schönes Wochenende. Ciao.«
Sie las weiter, vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig Minuten, dann hörte sie, wie jemand sagte: »Was machst du da?«
Wer war es diesmal? Es war Mark. Ein Glücksgefühl durchströmte sie, und sie lächelte ihr schönstes Lächeln.
»Ich lese.«
»Wo hast du das gelernt?«
Sie kippte den Stuhl zurück, setzte einen Fuß auf die Tischkante und wippte leicht. Es war fantastisch, ihn so ausgiebig betrachten zu können, wie sie wollte. Meistens konnte sie sich im Büro nur verstohlene Blicke leisten – wahrscheinlich sah sie Mark seltener an als ihre anderen Arbeitskollegen. Selbst dann hatte sie
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