Neue Schuhe zum Dessert
Partner in der Firma.
»Fällt mir noch eins ein? Ach ja, einmal kam eine Frau auf die Wache und sagte, die CIA würde ihr durch ihre Steckdosen nachspionieren.«
»Meiner Tante ist mal etwas Ähnliches passiert«, murmelte Jocelyn. »MI5 statt CIA, aber nicht so weit entfernt.«
»Das war bestimmt schmerzlich.«
»Ich muss Ihnen gestehen, meine Liebe – und ich bin nicht unbedingt stolz darauf –, ich fand das schrecklich komisch.«
»Na gut. Also, die Frau bei uns war verrückt und hätte in ein Heim gehört. Wir brachten sie nach Hause. In dem Haus gegenüber von ihrer Wohnung war ein Bekleidungsgeschäft mit Schaufensterpuppen im Fenster, und da haben wir ihr erzählt, dass eine der Puppen ein Polizist in Zivil sei und auf sie aufpassen würde.«
»Und das hat sie geglaubt?«
»Ja sicher.«
»Verstehe. ›Hol ihnen einen runter und schick sie zum Teufel‹«, sagte Jocelyn und ließ den Satz genüsslich nachklingen. »Nicht übel. Ich werde das in Zukunft sagen. Na, jetzt muss ich aber los, meine Liebe. Die Pflicht ruft, aber vielleicht darf ich Sie eines Tages zum Lunch einladen.«
»Sehr gern.«
»Ich glaube, der mag dich«, sagte Manoj leise, nachdem Jocelyn gegangen war.
»M-hm.«
»Es ist gut, wenn die Seniorpartner einen mögen.«
»M-hm.«
»Ich wette, er behält beim Sex sein Unterhemd an.«
»Du bist widerlich.«
Zwei Minuten später
»Louisas Mann hat angerufen«, sagte Manoj. »Die Wehen haben eingesetzt.«
»Was, jetzt schon? Sie ist doch erst …«
»Zwei Wochen zu früh«, bestätigte Manoj.
Gut, dachte Jojo. Je eher Louisa ihr Baby bekommt, desto schneller ist sie wieder im Büro, oder?
»Sie nimmt den vollen Mutterschaftsurlaub.« Manoj las ihre Gedanken. »Das machen sie immer. Jetzt sollten wir ihr Blumen schicken.«
»Wer ist hier ›wir‹, Bleichgesicht?«
»Du, meine ich. Soll ich es organisieren?«
Mittagszeit
Manoj war losgegangen, um eine Wärmflasche zu kaufen, und alles auf der Etage war ruhig. Jojo biss in einen Apfel und las Eamonn Farrells »schwierigen zweiten Roman « .
Sie hatte niemanden gehört, aber sie spürte, dass jemand sie beobachtete, und riss den Kopf hoch.
Es war Mark.
»Du bist wieder da!«
Sie richtete sich auf. Sie war glücklich. Ein wundervolles Gefühl, ausgelöst durch Mark Averys Anwesenheit.
Das war ein bisschen verrückt, denn wenn man ihn so ansah, war Mark Avery kein besonders guter Fang. Er hatte nicht das attraktive Aussehen (groß, dunkel), das ihn für die Rolle des romantischen Helden qualifizieren würde. Er war ungefähr einen Meter fünfundsiebzig groß, wirkte aber kleiner, weil er recht korpulent war. Zwar hatte er dunkle Haare, aber keinen exotischen, olivenfarbenen Teint, sondern nur gewöhnliche englische Haut und Augen. Aber das machte nichts …
Er lächelte von einem Ohr zum anderen. »Ich habe deinen Fragebogen gelesen. Du bist große Klasse, Jojo.« Dann sagte er mit leiser Stimme: »Und sieben Stunden pro Nacht, wie? Da muss ich mal sehen, was sich machen lässt.«
Aber bevor sie ihm antworten konnte, hörten sie Stimmen – einige der anderen kamen vom Essen zurück –, und Mark war verschwunden. Sie hatten solche Angst, zusammen gesehen zu werden, dass sie oft mit seiner entschwindenden Gestalt sprach und die Worte ihr auf den Lippen erstarben.
18
Vier Sekunden später
Sie wollte aufspringen und hinter ihm herlaufen, aber sie konnte nicht. Und sie hätte sich in ihrer Hast ohnehin nur an der Tischkante gestoßen und einen scheußlichen blauen Fleck am Oberschenkel geholt.
Sie versuchte konzentriert weiterzuarbeiten, aber Eamonn Farrells schwieriger zweiter Roman hatte plötzlich keinerlei Charme mehr für sie. Allerdings hatte er auch anfangs kaum Charme gehabt.
Wie sollte sie nur in Ruhe weiterarbeiten?
Doch dann kam unerwartete Hilfe.
Dreizehneinhalb Minuten später
Pam platzte in ihr Büro, schloss die Tür und lehnte sich dagegen, als wäre ein Rudel wilder Hunde hinter ihr her. Sie hielt ein Manuskript an die Brust gepresst, stach mit dem Zeigefinger darauf ein und sagte mit heiserer Stimme: »Ich habe einen Bombenstoff hier.«
Pam war Jojos Gutachterin. Jede Agentin hatte eine Gutachterin – so hatte Jojo selbst auch in der Agentur angefangen. Die Gutachter arbeiteten sich durch die großen Stapel Manuskripte hindurch, die täglich bei Lipman Haigh Agents eingingen. Hin und wieder war ein Hit dabei, aber die meisten schickten sie zurück und schrieben an die
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