Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Frank, dem sein Vater langsam auf die Nerven ging. »Wieso freiwillig? Glaubt ihr, daß ich da freiwillig hingehe, oder was?«
»Ich weiß nicht …«, sagte seine Mutter nachdenklich.
»Er hätte ja auch verweigern können«, sagte sein Vater.
»Hört endlich auf, über mich in der dritten Person zu reden, das ist ja widerlich.«
»Das stimmt«, sagte seine Mutter, »das tut man nicht. Aber ich habe das auch nicht gemacht, ich habe nicht über dich in der dritten Person geredet! Ich will bloß wissen, was die da machen bei diesen Pionieren!«
»Dritte Person, na und?« sagte sein Vater. »Deine Mutter hat gefragt, und da habe ich ihr geantwortet, du sagst ja sowieso nie was, da ist doch klar, daß man dann die dritte Person benutzt, was soll daran schlimm sein?«
Frank seufzte und trank einen Schluck von dem Tee, den es immer zum Abendbrot gab und den er vor allem dafür verantwortlich machte, daß er neuerdings nachts schlecht einschlafen konnte. »Die machen Brücken und legen Minen und so«, sagte er, sich an das erinnernd, was ihm Martin Klapp von seinem Gespräch mit dem Ex-Genossen berichtet hatte. »Außerdem sprengen sie Brücken und räumen Minen wieder weg«, fügte er der Vollständigkeit halber hinzu. »Hab ich gehört«, sagte er, nur damit seine Eltern nicht dachten, er würde so etwas von selber wissen, das ist sowieso lächerlich, dachte er, daß ausgerechnet ich meinen Eltern die Feinheiten der militärischen Waffengattungen erkläre, als ob ich schon Soldat wäre oder sowas.
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte seine Mutter. »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, wenn die das alles gleich wieder kaputtmachen. Und wieso stecken die dich unter solche
Leute, du hast das doch gar nicht gelernt, Brücken bauen, du hast doch was ganz anderes gelernt, du hast doch Speditionskaufmann gelernt, das ist doch was ganz anderes!«
»Das finde ich auch«, sagte sein Vater, »dabei brauchen die doch gerade auch Nachschubleute und so, das weiß man doch, da hast du doch genau das Richtige für gelernt, wieso stecken die dich zu den Pionieren?«
»Woher soll ich das wissen?« sagte Frank gereizt. »Und was weiß ich vom Nachschub? Und was wißt ihr darüber? Ich meine, ich hab mir das doch nicht ausgesucht! Ich konnte ja nicht einmal ahnen, daß die mich überhaupt noch einziehen!«
»Wieso nicht?« fragte seine Mutter.
»Ja, wieso eigentlich nicht?« haute sein Vater sofort in die gleiche Kerbe. Das sieht ihnen ähnlich, dachte Frank, sonst sind sie sich nie einig, aber sobald sie eine kleine Schwäche bei mir finden, hauen sie gemeinsam drauf. »Die können einen doch einziehen, bis man siebenundzwanzig Jahre alt ist«, sagte sein Vater. »Oder du hättest nach Berlin gehen können, wie Manfred«, fügte er hinzu. »Das wäre natürlich auch gegangen.«
Frank sah von seinem Vater zu seiner Mutter und zurück, um herauszufinden, ob das ein abgekartetes Spiel war, ein vorher vereinbarter Versuch, ihm etwas Bestimmtes mitzuteilen. Sie ließen sich nichts anmerken, tauschten nicht etwa wissende Blicke aus oder so, was die Sache eigentlich noch verdächtiger machte. So geht das nicht, dachte er, sie treiben mich in die Enge, und dann bringen sie auch noch Manni ins Spiel, so geht das nicht.
»Was soll das?« fragte er rundheraus. »Worauf wollt ihr hinaus?«
»Was meinst du damit?« fragte seine Mutter, verdächtig harmlos, wie Frank fand. »Ich habe doch nur eine einfache Frage gestellt?«
»Die Frage ist nicht einfach«, sagte Frank, »sie ist ganz und gar nicht einfach. Vor allem deshalb nicht, weil ich sie nicht beantworten kann. Ich weiß nicht, warum ich zu den Pionieren muß, ich habe darauf keinen Einfluß. Außerdem wüßte ich gerne mal, wieso ihr plötzlich Manni ins Spiel bringt? Was wollt ihr damit sagen?«
»Also«, sagte sein Vater zögernd, »ich wundere mich schon, daß gerade du zur Bundeswehr gehst, das paßt doch gar nicht zu dir, was willst du denn da?«
»Was ich da will? Ich will da überhaupt nichts. Die ziehen mich ein, das ist Gesetz, und wenn ich nicht gehe, komme ich in den Knast. Wollt ihr das? Ist euch das lieber, oder was?«
»Knast?« rief seine Mutter. »Wieso Knast? Ich will doch nicht, daß du in den Knast kommst, seit wann denn sowas?«
»Du hättest auch verweigern können«, gab sein Vater zu bedenken. »Dann könntest du in Bremen bleiben, das machen andere auch, das brauche ich dir doch wohl nicht zu erzählen, der Sohn von den Meierlings zum Beispiel, wie
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