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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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raus, dachte er. Und Manni hatte es ihm wirklich angeboten, »komm mm«, hatte er gesagt, »das verjährt irgendwann.« Es wäre ein Ausweg, dachte er, nicht toll, aber immerhin ein Ausweg. Er sah in die Gesichter seiner Eltern, und was er dort sah, berührte ihn dann doch, sie waren entsetzt, sie hatten wirklich Angst um ihn, seine Mutter kämpfte sogar mit den Tränen.
    »Ich will ja auch nicht, daß du da hingehst«, sagte sie mit zitternder Stimme und hielt sich die Hand vor den Mund. »Aber du kannst dich doch nicht für dein ganzes Leben unglücklich machen wegen den paar Monaten.«
    »Fünfzehn!« sagte Frank, aber es machte keinen Spaß mehr.
    Seine Mutter wischte sich die Augen. »Warum muß das alles immer so furchtbar sein?« fragte sie.
    »Nun laß mal, Martha«, sagte sein Vater. »Er macht doch nur Spaß. Er zieht uns doch nur auf, oder? Stimmt doch?« wandte er sich an Frank.
    »Naja«, sagte Frank, »das wäre immerhin ein Ausweg. Aber wenn ihr meint, ich sollte doch lieber zum Bund gehen … Ich meine, ich bin da nicht scharf drauf, so oder so.«
    »Siehst du!« sagte sein Vater zu seiner Mutter.
    Ich muß hier raus, dachte Frank. Es wird Zeit. Schon lange. Und dann kam ihm ein komischer Gedanke. Vielleicht, dachte er, habe ich deshalb nicht verweigert. Vielleicht wollte ich einfach nur, daß endlich etwas passiert, etwas, das man nicht aufhalten kann, etwas, das mich unwiderruflich hier rausholt. Ein erschreckender Gedanke, aber es ist was dran, dachte Frank, kein Mensch ist so blöd und verpennt seine Verweigerung ohne Grund, dachte er, nicht mal ich, nicht mal ich bin so blöd, ich bin nur das, was Harry gesagt hat, dachte er, und was alle anderen auch denken: ganz schön blöd. Ganz schön blöd, aber nicht so blöd.
    Er mußte lachen. Seine Eltern, die sich langsam wieder beruhigten, schauten ihn verwundert an.
    »Siehst du, er hat nur Spaß gemacht«, sagte sein Vater.
    »Einen aber auch so zu erschrecken!« sagte seine Mutter.
    »Ja«, sagte Frank, »war nur Spaß.«
    So weit ist es schon, dachte er, daß man nicht einmal mehr Lust hat, die eigenen Eltern zu erschrecken.
4. BÖSES ERWACHEN
    Als Frank zwei Tage später erwachte, sah es nicht gut aus. Das war auch sein erster Gedanke, das sieht nicht gut aus, dachte er, das wird kein guter Tag. Das Geschrei, das sie wohl wecken sollte und das es in seinem Fall auch sofort getan hatte, kam von draußen, vom Flur, und es wurde ab und zu vom Geräusch einer Trillerpfeife unterbrochen, und der zweite Gedanke, der Frank in den Sinn kam, war der, ob der Mann, der die Trillerpfeife blies, wohl derselbe war wie der, der schrie. Zwar überlagern sich die beiden Geräusche nicht, dachte er, aber es stellt sich schon die Frage, wie der Schreiende noch Luft holen kann, wenn er die Trillerpfeife auch noch bedient. Dann sprang die Tür, auf und ein Mann stürmte herein und brüllte, daß sie aufstehen und das Sportzeug anziehen sollten. Das Geschrei und Getrillere ging auf dem Flur derweil weiter. Es sind viele, dachte Frank. Dann war der Mann wieder weg. Frank hatte nur seine Beine gesehen, denn er lag zuunterst in einem dreistöckigen Bett, und als er sich aufsetzte, um die Situation zu überdenken, schlugen Leppert und Schmidt, zwei Männer, die jetzt seine Kameraden waren und über ihm schliefen, vor ihm auf dem Fußboden auf. Frank hatte die beiden am Vortag zum ersten Mal getroffen, so wie die anderen Leute in der Stube auch, sie hatten zusammen dort gehockt und gewartet, was wohl passieren würde, um drei Uhr hatten alle dasein müssen, und dann hatte es auch Punkt drei Uhr angefangen mit dem Geschrei, und seitdem hatte es damit nicht mehr aufgehört. Zuerst hatte Frank gedacht, daß da wohl irgendwas nicht stimmen könne auf dem Flur, da ist einer verrückt geworden, hatte er gedacht, irgendein Notstand ist ausgebrochen, hatte er vermutet, und die anderen in seiner Stube hatten auch ziemlich verwirrt aus der Wäsche geschaut, und, da war Frank sich sicher, sie taten genau das allesamt immer noch, obwohl es für Verwirrung eigentlich keinen Grund mehr gab. Nach einem halben Tag und einer Nacht in der Kaserne mußte eigentlich jedem klar sein, daß das Schreien immer und ausnahmslos ihnen, den Rekruten, galt.
    Sie schreien und schreien, dachte Frank nun, während er auf seinem Bett saß und dabei zuschaute, wie Schmidt direkt vor ihm stand und sich am Hintern kratzte und Leppert zu seinem Spind humpelte und sich dabei eine Zigarette anzündete. Sie

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