Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
dachte er, es geht immer nur mit Streit, immer nur jeder gegen jeden, dachte er, und wenn nicht jeder gegen jeden, dann die beiden gegen mich, jedenfalls seit Manni nicht mehr dabei ist, dachte er. Ob es davor, mit Manni, wirklich besser gewesen war, wußte er zwar nicht mehr genau, aber ich war damals jedenfalls nicht allein mit ihnen, dachte er, Manni war dabei, ich war nicht allein mit ihnen, dachte er, und sie nicht mit mir.
»Okay«, sagte er, um ein bißchen Frieden zurückzubringen, sein Zorn war weg, irgendwie verraucht, »wahrscheinlich hätte ich verweigern sollen. Hab’s verpennt. Okay. Und warum ich zu den Pionieren muß …« Er hätte gerne eine Erklärung gehabt, obwohl das ja nun wirklich nicht seine Schuld war, aber das würde die Sache endgültig entspannen, dachte er, wenn ich für beide Fragen eine befriedigende Antwort hätte, befriedigend, genau das ist das Wort, dachte er, obwohl, befriedigend klingt auch irgendwie komisch, dachte er, eher befriedend vielleicht, eine befriedende Antwort sollte man haben, dachte er, und er sagte: »Naja, warum ich da hin muß, keine Ahnung, okay, ich geb’s zu, ich habe keine Ahnung, warum ich die Verweigerung verpennt habe, und ich habe keine Ahnung, warum ich zu den Pionieren muß.« Das muß jetzt reichen, dachte er, mehr können sie nicht verlangen, beim besten Willen nicht.
»Vielleicht haben sie dich verwechselt«, schlug seine Mutter vor.
Franks Vater seufzte.
»Nein, wirklich«, sagte seine Mutter, »das kommt doch vor. Lehmanns gibt’s doch wie Sand am Meer.«
»Ist schon gut, Martha«, sagte sein Vater. »Er weiß es halt nicht. Ist halt alles ganz schön blöd.«
»Ja, ja«, sagte Frank, »ganz schön blöd.« Nun ärgerte er sich doch wieder, weil sein Vater, so sah er das, noch einmal nachtrat, nachdem er, Frank, schon freiwillig zu Boden gegangen war, und dann benutzt er auch noch Harrys goldene Worte, danke Harry, dachte Frank. Er sah seinem Vater direkt in die Augen und sann auf Vergeltung. So geht das nicht, dachte er verbittert, so geht das nicht, man tut alles, um Frieden zu schaffen, und dann fallen sie einen hinterrücks wieder an!
»Kein Problem, ich kann ja immer noch was tun«, sagte er.
»Was denn?« fragte sein Vater.
»Ich gehe einfach nicht hin.«
»Mach doch keinen Unsinn«, sagte sein Vater.
»Nein, ernsthaft, das geht, das ist kein Problem, ich kann nach Berlin gehen, da dürfen die nicht hin. Ist Mannis Idee, ich habe letztens mit ihm telefoniert, schöne Grüße soll ich euch sagen, Manni meint, ich könnte jederzeit kommen. Dann wohne ich bei ihm, und die kriegen mich nie. Da ist bloß ein Problem dabei… «
»Aber jetzt hör doch auf«, unterbrach ihn seine Mutter, »das meinst du doch nicht ernst!«
»Typisch Manfred«, sagte sein Vater. »So ein Quatsch. Das kannst du doch nicht machen!«
»Wieso nicht?« sagte Frank unschuldig. »Ist doch kein Problem. Ich hab doch das Auto. Wenn ich jetzt losfahre,
bin ich in fünf, sechs Stunden da, oder was weiß ich. Noch ist Zeit. Da ist bloß ein Problem dabei…«
»Ach Quatsch, das ist doch keine Lösung«, unterbrach ihn sein Vater erregt, »mach doch keinen Unsinn. Die fünfzehn Monate, das ist doch nicht so wild.«
»Wieso? Du sagst doch selbst, du hast den Krieg noch erlebt. Na bitte, entweder - oder. Hast du doch selbst gesagt.«
»Ja aber sowas, da machst du dich doch strafbar.«
»Solange ich in Berlin bleibe, können die mir gar nichts. Da ist nur ein Problem dabei … «
»Was für ein Problem«, biß seine Mutter endlich an.
»Ich könnte erst mal nicht wieder zurück. Bis das verjährt ist.«
»Um Gottes willen«, sagte seine Mutter. »Das meinst du doch nicht ernst!«
»Und ich glaube, anmelden könnte ich mich da auch nicht. Müßte ich schwarzarbeiten. Machen viele, sagt Manni.«
»Ach Quatsch.«
»Mach doch keinen Unsinn.«
»Frank, bitte, mach dich doch nicht unglücklich. Die fünfzehn Monate, das geht doch auch noch vorbei.«
»Nein«, sagte Frank, »ihr habt völlig recht. Ich gehöre da nicht hin. Und zu den Brückenbauern schon gar nicht.«
»Nun hör aber auf«, sagte seine Mutter.«
»Ich brauch ja nicht viel, ich pack einfach ein paar Klamotten ein. Und was gespart habe ich auch noch, das muß ich bloß vom Sparbuch runterkriegen.«
»Ernst, sag du doch mal was!«
»Frank«, sagte sein Vater streng. »Frank! Jetzt rede doch nicht so einen Quatsch.«
Vielleicht ist das wirklich die Lösung, dachte Frank. Ich muß hier sowieso
Weitere Kostenlose Bücher