Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
heißt der noch, Martha?«
»Der ältere oder der jüngere?«
»Na der, der da verweigert hat?«
»Jürgen«, sagte seine Mutter. »Jürgen ist das. Der ist jetzt beim Roten Kreuz oder so, das gefällt dem gut da, sagen die Meierlings.«
»Na prächtig«, sagte Frank, der jetzt etwas verwirrt war ob dieser Wendung. Das ist doch totaler Quatsch, dachte er, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, das läuft total falsch, dachte er, der Sohn verweigert, und die Eltern nennen ihn Drückeberger, so läuft das, dachte Frank, was reden die beiden da, sie sind doch keine Hippies, dachte er, ich bin doch mehr der Hippietyp, hat Harry gesagt, dachte er, und wußte überhaupt nicht, was er jetzt noch sagen sollte.
»Ich hab den Krieg noch erlebt«, legte derweil sein Vater noch eins drauf, »ich weiß, wie das ist. Ich hätte verweigert.«
»Hätte, hätte«, sagte Frank, »hätte ist kein Argument. Du mußtest ja gar nicht erst hin, da ist leicht reden. Da muß man erst mal durch die Prüfung kommen, hast du eine Ahnung,
wie man das macht? Was man da sagen muß?«
»Ich würde mich damit beschäftigen«, sagte sein Vater.
»Ja, klar«, sagte Frank. Er schäumte vor Wut. Jetzt bringen sie einen noch so weit, daß man die Bundeswehr verteidigt, oder jedenfalls verteidigt, daß man da hingeht, dachte er, erst Harry, dann das Mädchen an der Uni, und dann auch noch die eigenen Eltern, und das, bevor man überhaupt da ist, dachte er, nicht, daß sie nicht recht hätten, dachte er deprimiert, natürlich hätte ich verweigern müssen, und Harry hatte auch recht, und das Mädchen auch, wahrscheinlich gehöre ich da wirklich nicht hin, dachte Frank, irgendwas ist schiefgelaufen, irgendwas hat einen Tag für Tag davon abgehalten, sich um die Sache zu kümmern, und jetzt ist es zu spät, und das ist schon schlimm genug, dachte er, da braucht man sich nicht auch noch von seinen eigenen Eltern verspotten zu lassen.
»Andere schaffen das doch auch«, machte sein Vater ungerührt weiter, »sogar der Sohn von den Meierlings, das muß man sich mal vorstellen, und unser Sohn geht einfach zur Bundeswehr.«
»Ist das jetzt eine Prestige-Frage, oder was? Steht ihr jetzt vor den Meierlings doof da, oder was? Außerdem ist das Quatsch, der älteste Sohn von den Meierlings ist höchstens fünfzehn, ihr kriegt da was durcheinander. Und der heißt auch nicht Jürgen.«
»Ach so, dann war das der Neffe«, sagte seine Mutter unbeeindruckt, »ich glaube, die haben das von ihrem Neffen erzählt, nicht wahr, Ernst?«
»Weiß ich nicht«, sagte sein Vater.
»Seit wann haben die Meierlings irgendwelche Neffen?« donnerte Frank dazwischen, froh, etwas gefunden zu haben, bei dem er angreifen konnte.
»Naja«, wich seine Mutter aus, »jedenfalls ist das doch komisch, daß du da zu diesen Brückenleuten kommst, wenn du Speditionskaufmann gelernt hast.«
»Darum geht’s doch jetzt gar nicht mehr«, sagte sein Vater.
»Wieso denn nicht?« sagte seine Mutter entrüstet. »Das hatte ich doch gefragt! Und warum muß er ganz bis nach Dörverden, hier in der Vahr ist doch auch eine Kaserne, da hätte er sogar zu Fuß hingehen können, wieso muß er da nach Dörverden? Wo ist das überhaupt?«
»Bei Verden«, sagte Frank.
»Das ist doch Quatsch«, sagte sein Vater, »das kann er doch gar nicht entscheiden, da hat er doch gar keinen Einfluß drauf, wenn er erst einmal da hingeht, und das will ich doch bloß von ihm wissen: Warum er da überhaupt hingeht!«
»Das kann ja sein, daß du das wissen willst. Ich hatte aber was anderes gefragt. Ich hatte gefragt, wieso er da Brücken bauen soll, wenn er Speditionskaufmann gelernt hat.«
»Das weiß ich doch nicht«, sagte Franks Vater.
»Na schön, daß das schon mal klar ist, daß du das nicht weißt«, sagte seine Mutter triumphierend. »Vielleicht geht’s aber auch mal darum, was ich wissen will, und nicht immer nur darum, was du wissen willst!«
»Wieso geht es immer nur darum, was ich wissen will. Seit wann geht es immer nur darum, was ich wissen will?«
»Ich hatte zuerst gefragt.«
Jetzt schwiegen die beiden und schauten auf ihre Brote. Na gut, dachte Frank, abgesprochen haben sie sich jedenfalls nicht, im Gegenteil. Er sah vom einen zur anderen, und irgendwie taten sie ihm ein bißchen leid. Sie wissen nicht, was das alles soll, dachte er, sie wollen nicht, daß ich zur Bundeswehr muß, immerhin, dachte er, aber es geht nicht anders als immer nur so, es ging noch nie anders als immer nur so,
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