Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
im Ernst?«
Der Hauptmann wartete eine Weile, aber Frank sagte nichts.
»Warum sagen Sie nichts, Herr Pionier?«
»Was soll ich zu so einem Scheiß denn sagen?« sagte Frank.
Das erwischte den Hauptmann unvorbereitet. Er schwieg einige Sekunden. Dann sagte er: »Soll ich Sie unter Arrest nehmen, oder was versuchen Sie hier zu erreichen, Lehmann?«
»Ich versuche gar nichts zu erreichen«, sagte Frank. »Ich frage mich nur, ob ich die Beschwerde, die ich morgen schreiben werde, an den Bataillonskommandeur oder gleich an den Wehrbeauftragten des Bundestages schicken soll.«
»Was für eine Beschwerde? Was wollen Sie denn für eine Beschwerde schreiben?«
»Darüber, daß Sie hier versuchen, mich durch Einschüchterung bei der Wahrnehmung meiner verfassungsmäßigen Rechte zu behindern, Herr Hauptmann. Das habe ich mit Scheiß gemeint.«
Der Hauptmann schwieg. Frank auch. Sie starrten sich an.
»Okay, okay, stop!« sagte der Kompaniechef und versuchte, so etwas wie ein Lächeln hinzukriegen. »Einfach mal stop jetzt. Ich glaube, Sie haben da was mißverstanden, Lehmann. Ich wollte Sie nicht einschüchtern, und ich wollte Sie schon gar nicht bei der Wahrnehmung Ihres Rechts auf Kriegsdienstverweigerung behindern, Lehmann, wirklich nicht. Da haben Sie mich mißverstanden. Und weil das ein Mißverständnis war, will ich auch mal darüber hinwegsehen, daß Sie hier Wörter und Formulierungen gebrauchen, die im Gespräch mit einem Vorgesetzten nicht zulässig sind, Lehmann. Können wir uns darauf einigen?« »Hm …«, sagte Frank.
»Hören Sie, Lehmann, die Sache ist die: Wir respektieren Ihren Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Und ich habe Sie auch nicht hierherbestellt, um mich darüber lustig zu machen, da sind wir wohl eben auf dem falschen Fuß aufgestanden, im Gegenteil.«
»Von Lustigmachen habe ich noch gar nichts gesagt«, sagte Frank. »Ich habe von etwas anderem gesprochen. Bis jetzt.«
»Das wollte ich jedenfalls auch nicht.«
»Aha … «
»Sie haben einen Antrag auf KDV gestellt, und das ist in Ordnung, Lehmann.«
»Ich weiß«, sagte Frank.
»Ich weiß, daß Sie das wissen, Lehmann. Was ich Ihnen sagen will, ist, daß ich das auch weiß.«
»Dann ist ja gut«, sagte Frank.
»Ich will damit sagen, natürlich finde ich das in Ordnung. Wir werden Ihnen da keine Steine in den Weg legen und keinen Anlaß zur Beschwerde geben. Im Gegenteil.«
»Aha.«
»Dann ist das wohl geklärt.«
Frank schwieg. Der Hauptmann auch.
Dann sagte der Hauptmann: »Was das mit dem Befreien vom Dienst an der Waffe betrifft, Lehmann, das ist natürlich nicht ganz so einfach. Sie befinden sich in der Grundausbildung. Nehmen wir jetzt mal den äußerst unwahrscheinlichen Fall an, daß Sie nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden …«, hier erlaubte der Hauptmann sich ein süffisantes Lächeln, »… es kommt ja nicht jeder damit durch, Lehmann, das wissen Sie ja, und dann müßten Sie als Soldat weiterdienen und würden, wenn ich Sie davon befreien würde, die Waffe in welcher Form auch immer in die Hand nehmen zu müssen, Lehmann, dann würde ich … — wo war ich stehengeblieben, ach ja, also dann lernen Sie ja nichts, Lehmann, das muß Ihnen ja klar sein. Deshalb kann ich das leider nicht machen, Lehmann.«
»Ich nehme das Gewehr nur unter Protest in die Hand«, sagte Frank.
»Welches Gewehr?«
»Wie, welches Gewehr?« fragte Frank verwirrt.
»Welches Gewehr nehmen Sie nur unter Protest in die Hand«, sagte der Hauptmann. »Sehe ich hier irgendwo ein Gewehr?« Der Hauptmann schaute spöttisch lächelnd nach links und nach rechts.
»Es geht um das Gewehr mit der Nummer …«, Frank zog seine Gewehrmarke aus der Hosentasche und schaute drauf, wenn du blödeln willst, Arschloch, dachte er, das kannst du haben, »… neunundachtzig. Das ist das Gewehr, das ich unter Umständen gezwungen sein könnte, in die Hand zu nehmen, und ich erkläre Ihnen hier schon einmal, daß ich das Gewehr nur unter Protest in die Hand nehme. Das gilt im übrigen auch für alle anderen Gewehre, nur für den Fall, daß Sie mir vielleicht ein Gewehr mit einer anderen Nummer geben wollen.« Frank machte eine kleine Pause und fügte dann lächelnd an: »Herr Hauptmann.«
»Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Lehmann?«
»Nein.«
»Ihr Problem ist, daß Sie immer nur bis zur nächsten Wand denken, Lehmann. Und dann glauben Sie noch, Sie hätten den Durchblick.«
Frank schwieg.
»Haben Sie aber nicht.«
»Soso«, sagte
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