Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Frank.
Der Hauptmann seufzte. »Eigentlich wollte ich Ihnen einen Gefallen tun, Lehmann. Wir haben am Mittwoch wieder ein Schießen. Mit scharfer Munition und so weiter. Davon wollte ich Sie eigentlich befreien. Deshalb rede ich hier. Und Sie kommen mir blöd, Lehmann. Warum eigentlich?«
»Ich will keinen Gefallen. Ich nehme das Gewehr nur unter Protest in die Hand. Und mit der klaren Versicherung, es niemals gegen Menschen einzusetzen.«
»Herrgott, das weiß ich ja nun.«
»Dann ist ja gut.«
»Dann ist ja gut was?«
»Dann ist ja gut, Herr Hauptmann.«
»Schon besser«, sagte der Hauptmann. »Dann bleibt mir ja nur noch, Ihnen viel Glück zu wünschen.«
»Danke!«
»Werden Sie brauchen, Lehmann. Und falls es wider Erwarten doch nicht klappt mit Ihrer Verweigerung … «
Der Hauptmann zögerte, dann machte er eine abwinkende Handbewegung.
»Lassen wir das«, sagte er. »Sonst müssen Sie am Ende doch noch eine Beschwerde schreiben.«
»Mensch Lehmann, was höre ich da über Sie?«
Sie standen getarnt im Gelände, in dem sie Spähtrupp, Schützenreihe und Schützenrudel übten, und machten gerade eine Rauchpause, und da er sonst nicht wußte, was er tun sollte, rauchte auch Frank, und ihm war schwindelig davon, das Kraut von Leppert war sehr stark, und deshalb fühlte sich Frank nicht wirklich bereit, auf diese Frage von Fahnenjunker Tietz zu antworten. Es wird Zeit, daß ich mir mal eigenen Tabak kaufe, dachte er.
»He, Lehmann, was höre ich da über Sie?« wiederholte Fahnenjunker Tietz. »Den Kriegsdienst wollen Sie verweigern?«
»Ja.«
»Ha!« Der Fahnenjunker zeigte auf das Gewehr, das über Franks Schulter hing. »Und was ist das da?«
Frank antwortete nicht.
»Ein Gewehr!« sagte der Fahnenjunker.
»Ja«, sagte Frank. Seine Kameraden starrten ihn etwas verdutzt an, das war ihm unangenehm, er hatte sich nicht entscheiden können, ob er ihnen das mit der Verweigerung von sich aus erzählen sollte, was in seinen Augen ein bißchen nach Wichtigtuerei ausgesehen hätte, oder ob sie es auf diese Weise erfahren sollten, durch irgendeine dämliche Bemerkung eines dämlichen Vorgesetzten, was irgendwie auch nicht gut war, wie er fand.
»Das geht doch gar nicht, daß Sie verweigern, Lehmann. Sie haben doch schon geschossen.«
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Sie können doch nicht aus Gewissensgründen verweigern und dann hier schon herumgeschossen haben.«
»Ich habe ja keinen erschossen, Herr Fahnenjunker«, sagte Frank. »Das ist dabei ja wohl der entscheidende Punkt.«
»Das ist doch unernst, Lehmann. Sie machen einen auf Kriegsdienstverweigerer, und dann laufen Sie mit dem Gewehr rum.«
»Ich mache es nur unter Protest.«
»Was?«
»Ich nehme das Gewehr nur unter Protest in die Hand.«
»Aha.« Fahnenjunker Tietz schaute in den Wald, als erwartete er von dort Besuch. Dann schaute er wieder Frank an. »Und da glauben Sie, damit kommen Sie durch?« fragte er.
Frank zuckte mit den Schultern. »Wird man sehen.«
»Das können Sie vergessen, Lehmann. Sowas nimmt doch keiner ernst, wenn einer den Kriegsdienst verweigert und dann gleichzeitig ein Gewehr in der Hand hält.«
»Ich halte es nur in der Hand, weil Leute wie Sie mich dazu zwingen«, sagte Frank. »Und weil man mich sonst in den Knast steckt. Deshalb unter Protest, Herr Fahnenjunker. Außerdem werde ich zu der Verhandlung nicht mit einem Gewehr in der Hand gehen.«
»Was ist das denn für ein Argument? So einen nimmt doch keiner ernst.«
»Von Märtyrern steht nichts im Grundgesetz«, sagte Frank.
»Ich weiß nicht, Lehmann, damit kommen Sie doch niemals durch!«
Frank zuckte wieder mit den Schultern.
»Mal sehen«, sagte er.
»Da würde ich wetten«, sagte Fahnenjunker Tietz. «
»Ja«, sagte Frank.
»Da würde ich glatt mit Ihnen wetten.«
»Ja.«
»Um hundert Mark würde ich da wetten.«
»Ja, Herr Fahnenjunker.«
»Da wettet aber keiner gegen, das sage ich Ihnen.«
»Schon klar«, sagte Frank.
»Na dann …!« sagte Fahnenjunker Tietz sinnlos. Er schwieg einen Moment. »Aber daß Sie das nicht falsch verstehen, Lehmann: Ich habe nichts dagegen gesagt, klar?«
»Wogegen?«
»Daß Sie verweigern und so, Lehmann.«
»Soso.«
»Habe ich nichts gegen gesagt.«
»Hätte ich auch nicht behauptet«, sagte Frank.
»Na dann …!« wiederholte Fahnenjunker Tietz und blickte wieder in den Wald.
»Können Sie auch gar nicht«, sagte Frank.
»Wie meinen Sie das?«
»Dagegen können Sie gar nichts sagen. Das
Weitere Kostenlose Bücher