Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
er läßt sich ja schon lange nichts mehr sagen …«
»Ernst«, sagte Franks Mutter streng, »willst du ihm jetzt helfen oder nicht? Das habe ich gefragt. Und wenn du ihm nicht hilfst und das schreibst, dann mach ich das. Ich habe doch keine Lust, daß er da am Ende noch zu Pastor Schmidt geht, obwohl er gar nicht in der Kirche ist, das wäre ja peinlich, das wäre ja wie Bettelei.«
»Ich schreib ihm das«, sagte Franks Vater schnell. »Hätte ich sowieso getan.«
»Ist ja wohl das mindeste«, sagte seine Mutter und begann, die Knochen von ihrem Hähnchen noch einmal einzeln und gründlich abzunagen. »Pastor Schmidt …! Wißt ihr, was der zu den Kindern gesagt hat?«
»Welche Kinder?«
»Na die auf dem Gerüst! Im Heinrich-Imbusch-Weg! Rede ich hier die Wand an?«
»Nun sag schon!« sagte Franks Vater.
»Spielt ihr auch schön? Das hat der zu denen gesagt. Spielt ihr auch schön? Das muß man sich mal vorstellen.«
Sie machte eine Pause und schaute Frank und seinen Vater entrüstet an, als erwartete sie einen Kommentar. Frank sagte lieber nichts.
»Spielt ihr auch schön. Der sagt zu denen: Spielt ihr auch schön! Das muß man sich mal vorstellen«, wiederholte sie.
»Naja …«, sagte Frank vorsichtig, »das finde ich jetzt eigentlich nicht so schlimm.«
»Na das kann ich mir denken, daß du das nicht schlimm findest. Du hast ja keine Kinder! Und wenn denen was passiert? Was sagt er dann, der saubere Herr Pastor? Der spinnt doch. Eltern haften für ihre Kinder, so ist das doch, das steht da doch extra dran!«
»Nun ist ja gut, Martha«, sagte Franks Vater.
»Finde ich unmöglich! Der ist doch Pastor, der muß doch Vorbild sein.«
»Wir haben früher auch immer auf den Gerüsten gespielt«, gab Frank zu bedenken.
»Ja, und was kommt dabei raus? Loch im Kopf, Gehirnerschütterung, das kommt dabei raus, das weiß ich noch ganz genau«, sagte seine Mutter.
Sie schnaubte und begutachtete ihre sauber abgenagten Hähnchenknochen. »Das ist doch Mist. Eigentlich wollte ich heute Rouladen machen. Ich hatte aber nur zwei eingekauft.« Sie zeigte mit dem Finger auf Frank. »Wenn du dich das nächste Mal für Sonntag zum Essen einlädst, dann ruf bitte spätestens Freitagabend an, damit ich noch was einkaufen kann und wir nicht so ‘ne blöden Hähnchen essen müssen.« Sie stand auf. »So, und während Ernst das jetzt für dich schreibt, mach ich Kaffee für alle!«
Damit verschwand sie in der Küche. Frank sah ihr erstaunt hinterher. Man darf sie nicht unterschätzen, dachte er.
Sein Vater seufzte. Dann stand er auf und holte was zu schreiben.
25. NATO-ALARM
»Ja, ja, ja, Lehmann, kommen Sie nur rein, das wird ja langsam zur lieben Gewohnheit«, rief der Kompaniechef, als Frank nach dem Anklopfen in dessen abgedunkeltes Büro spähte.
Frank ging hinein und schloß die Tür. Der Kompaniechefstand am Fenster und befingerte einen Gummibaum, der dort im Schatten der Jalousie verkümmerte.
»Gut, gut«, sagte der Kompaniechef, als Frank gerade die Hacken zusammentun und Meldung machen wollte, »schon gut, Lehmann, schon gut, ich weiß ja jetzt, daß Sie wissen, wie das geht.«
Er ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich und nahm ein Blatt Papier zur Hand. Dann seufzte er.
»Wollen mal sehen, Lehmann, Kriegsdienstverweigerung, sagen Sie mal …« Er schaute von seinem Papier auf und zu Frank, der jetzt in einiger Entfernung in der Mitte des Raumes stand, »sagen Sie mal …«, wiederholte er nachdenklich, »machen Sie das eigentlich jetzt alles, um mich zu ärgern, oder sind Sie nur ganz allgemein einer, der immer irgendwie auffallen muß?« Frank schwieg.
»Nein, wirklich mal, Lehmann. Ich meine, da geben Sie jetzt hier so einen handgeschriebenen Zettel mit einer Kriegsdienstverweigerung ab, wie kommen Sie denn plötzlich auf sowas? Was hat Sie da denn jetzt schon wieder geritten?«
Frank schwieg und merkte, wie er sauer wurde. Richtig sauer. Man merkt, wie die Wut kommt, dachte er, man kann es richtig spüren, wunderte er sich, es ist etwas, das man nicht vermeiden kann, wie der Besuch eines Verwandten oder so, und es reicht jetzt auch mal langsam mit dem Penner hier, dachte er, irgendwann ist es auch mal genug mit der Kompaniechefblödelei!
»Nun hat der Spieß das schon weitergereicht«, sagte der Hauptmann und wedelte mit dem Papier, das er in der Hand hielt. »Das ist nur noch die Kopie, die er mir hiergelassen hat. Dabei hätte ich mich ganz gerne noch einmal vergewissert: Meinen Sie das denn
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