Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Freude im Haus«, sagte der Kellner und ging.
»Was für ein Junge?« fragte Sibille Frank.
»Wie, was für ein Junge?«
»Mit dem du immer die Grillplatte Balkan gegessen hast.«
»Martin. Mit dem war ich hier früher oft.«
»Ach so … Martin …«
»Wie war das eigentlich mit dir und Martin damals?« sagte Frank.
»Wieso? Was soll denn da mit mir und ihm gewesen sein?«
»Naja …«, sagte Frank, »wenn ich mich richtig erinnere, wart ihr beiden mal gut befreundet … «
»Aber nur das!« unterbrach sie ihn. »Daß das mal klar ist …«
»Ja, aber ich weiß noch«, sagte Frank, »als ich damals die Verweigerung hatte, da hatte ich ihn mittags getroffen, und da muß irgendwas gewesen sein.«
»Wieso muß da irgendwas gewesen sein?«
»Weil wir dich seitdem bis vor kurzem nie wiedergesehen haben, Sibille, obwohl wir dich vorher oft gesehen haben, und das, obwohl du doch mit Martin zusammen studierst, und außerdem tut Martin alles, um zu vermeiden, daß man über dich spricht in seiner Gegenwart, und so weiter und so fort.«
»Soso«, sagte sie und trank von ihrem Rotwein. Frank füllte sich das Glas, er hatte es zwischenzeitlich ausgetrunken. Er merkte, daß ihm schwindelig wurde, und wußte nicht genau, ob das die Zigaretten waren oder der Wein oder beides. Vielleicht sollte man mit dem Rauchen mal kurz pausieren, dachte er. Dann trank er das Glas aus und zündete sich eine an.
»Soso«, sagte Sibille noch einmal. »Hast du mich deswegen herbestellt? Ist irgendwas mit ihm, oder was?«
»Nein, deswegen nicht. Und wieso herbestellt?«
»Naja, herbestellt ist vielleicht das falsche Wort … «
»Wieso herbestellt?«
»Ich sage ja, das ist vielleicht das falsche Wort.«
»Ja, aber warum benutzt du gerade das? Das ist ja nun wirklich nicht gerade das Wort, das sich aufdrängt. Ich dachte, wir hätten uns verabredet.«
»Ja, ist schon klar, es ist nur … «
In diesem Augenblick kam der Kellner mit der Grillplatte. Er räumte mit der einen Hand auf ihrem Tisch herum, während er mit der anderen Hand die Grillplatte gefährlich nah an Franks Gesicht hielt, dann stellte er sie in der Mitte des Tisches ab.
»Grillplatte Balkan«, sagte er und strahlte, »ist alles dabei. Und Reis auch«, sagte er und zeigte auf zwei kleine Häufchen rotgefärbten Reis an der Seite der monströsen Grillplatte, auf der sich das Fleisch in mehreren Schichten stapelte, »Reis auch. Ist alles da. Pommes bringe ich noch.«
Frank bedankte sich, und er ging. Sie luden sich schweigend Fleisch auf ihre Teller. So muß es alten Ehepaaren gehen, wenn sie zusammen essen, dachte Frank, erst ein zähes
Gespräch und dann ein Streit und dann schweigend essen. Es war alles sehr deprimierend.
»Tut mir leid«, sagte Sibille plötzlich aus heiterem Himmel. Sie ließ die Gabel, auf die sie gerade ein großes Stück gegrillter Leber aufgespießt hatte, fallen und begann zu weinen.
»Na, na«, sagte Frank erschrocken. Er wußte nicht, was er tun sollte, was immer man jetzt macht, dachte er, es ist wahrscheinlich das Falsche, so gesehen kann man sich frei entscheiden, dachte er und beugte sich so weit es ging über die Grillplatte Balkan und strich Sibille über den Kopf, »na, na«, wiederholte er, »was denn, was denn … «
»Ach«, sagte Sibille und wischte sich die Augen, »ist ja schon gut, ich bin nur ein bißchen labil, ich bin nur ein bißchen durcheinander, ehrlich.«
»Hier Pommes«, sagte der Kellner, der wieder unbemerkt aufgetaucht war. Er stellte eine große Schüssel Pommes an den Rand des Tisches. Dann sah er Sibilles verheultes Gesicht, sagte »Oh« und ging wieder weg, nicht ohne vorher Frank einen düsteren Blick zugeworfen zu haben.
»Das ist alles irgendwie unfair«, sagte Sibille.
»Was ist unfair? Zu wem?« sagte Frank und begann zu essen. Das Zeug muß weg, dachte er verwirrt, das muß alles weg.
»Dir gegenüber. Ich hatte mir das auch anders vorgestellt«, sagte sie.
Das wird ja immer rätselhafter, dachte Frank und stopfte sich ein großes Stück Schafskäse in den Mund, damit er gar nicht erst in Versuchung kam, jetzt etwas zu sagen.
»Ich wollte eigentlich schon gar nicht mehr kommen, ich meine, ich hätte abgesagt, wenn ich dich irgendwie erreicht hätte, aber man kann dich ja nicht erreichen.«
»Ja, das ist schlecht«, sagte Frank kauend und ohne noch nach-zudenken.
»Ich hätte eigentlich … ach …« Sibille hatte schon wieder Tränen in den Augen, und Frank wäre jetzt gerne aufgestanden
Weitere Kostenlose Bücher