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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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war und daß es vielleicht das beste war, sich gleich darauf einzustellen, »… einfach vielleicht Rotwein.«
    »Rotwein vielleicht?« sagte der Mann.
    »Genau. Was Sie da so haben. Trocken.«
    »Halber Liter oder Liter?«
    »Weiß nicht … Viertel vielleicht?«
    »Haben wir nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Hatten wir mal. Hat sich nicht gelohnt.«
    »Okay, dann einen halben Liter. Und vielleicht gleich mal zwei Gläser.«
    »Zwei Gläser vielleicht«, sagte der Kellner, der Frank langsam auf die Nerven ging, »muß ich mal sehen …« Er ging kopfschüttelnd davon.
    »Wird schon klappen«, rief Frank ihm grimmig hinterher. Wahrscheinlich hatte es gleich damals angefangen, dachte er, ganz zu Anfang, beim ersten Mal, dachte er, als sie am Stern in das Auto stieg, dachte er und merkte, wie er sich gleich in der Erinnerung verlor, das warme Wetter, ihre flatternden Haare, und wie er noch nicht bei der Bundeswehr gewesen war … Man hätte mehr draus machen müssen, aus der ganzen Zeit, dachte er, und man hätte es gleich merken müssen, soviel verschwendete Zeit, dachte er, aber da war ja immer Martin hinter ihr hergewesen, dachte er, und ich bei der Bundeswehr, wie hätte das gehen sollen, dachte er, obwohl er wußte, daß das nur eine Ausrede war, es liegt nicht an Martin, dachte er, es liegt immer an einem selber, wenn …
    »Halber Liter. Mit zwei Gläsern«, sagte der Kellner und stellte eine Karaffe Rotwein und zwei Gläser vor Frank auf den Tisch.
    »Das kommt da hin!« sagte Frank und schob das Glas für Sibille von sich weg. »Da kommt doch noch jemand.«
    »Ja«, sagte der Kellner, »ich freu mich drauf.« Er goß beide Gläser ein und ging. Frank nippte an seinem Rotwein und ärgerte sich, daß er überhaupt auf den Mann reagiert hatte, damit darf man gar nicht erst anfangen, dachte er, und wenn das trockener Rotwein ist, dachte er auch noch, dann darf man hier nicht Diabetiker sein.
    Er schaut aus dem Fenster und fragte sich, was nun werden sollte. Auf der einen Seite sah er dreihundertsiebzehn Tage Bundeswehr vor sich, eine unvorstellbare Zahl immergleicher Stumpfsinnstage in der Lettow-Vorbeck-Kaserne, unterbrochen nur von ebenso vielen Stumpfsinnsabenden in einer Wohnung ohne Heizung, Klo, Licht und Verstand. Auf der anderen Seite war Sibille. Liebt man sie jetzt, weil sie die letzte Hoffnung ist, fragte er sich und leerte das ziemlich kleine Glas mit einem Schluck, oder ist sie die letzte Hoffnung, weil man sie liebt?
    Er schenkte sich neuen Rotwein ein und beschloß, daß es auf eine solche Fragen keine Antwort geben konnte. Und wenn, dann hoffte er, daß es die zweite Möglichkeit war, die erste erschien ihm unfair und unromantisch. In diesem Moment ging ziemlich laut eine Balkan-Folkloremusik los. Der Kellner kam wieder zu ihm an den Tisch.
    »Ist acht Uhr«, sagte er und zeigte dabei auf seine Armbanduhr. »Mit Musik geht alles besser.«
    »Ja, sicher«, sagte Frank.
    »Kommt der andere noch?«
    »Ja«, sagte Frank, der keine Lust hatte, den Mann darüber aufzuklären, daß es kein der, sondern eine die war, die er erwartete, daß jetzt nicht wie üblich Martin Klapp kommen würde, genau das hätte natürlich noch gefehlt, daß Martin jetzt reinkommt, dachte er, und er war froh, daß Martin Klapp und die anderen wieder zu der Komitee-Vollversammlung zur Vereidigungsverhinderung gegangen waren.
    Draußen wehte ein heftiger Wind und peitschte den Regen schräg über die Straße, und die wenigen Fußgänger, die noch unterwegs waren, hielten sich dicht an den Häusern und kämpften mit dem Wind, der hin- und hersprang und sie mal schob und mal zog. Er schenkte sich ein neues Glas Rotwein ein und trank es aus, und langsam wurde ihm etwas warm, er zog den Pullover aus, während er weiter auf die Straße sah, auf der nun die ersten Dinge vorbeiflogen, einen Pappkarton sah er vorübersausen, dann noch einen, und dann ein paar Plastiktüten, und dann fiel ein provisorisches Verkehrsschild um, Frank sah es ganz langsam zur Seite kippen und auf ein Auto schlagen. Hinter der großen Scheibe des Restaurants Dubrovnik bei brüllend lauter Balkanfolklore wirkte das wie ein Film ohne Originalgeräusche.
    Ihm fiel ein, daß er nun schon lange in diesem Restaurant saß, ohne geraucht zu haben, dabei mußte er für den morgigen Mittwoch, an dem es um die Wurst ging, jede Möglichkeit zum Training nutzen. Und wo und wann paßt es besser, vor sich hin zu rauchen, dachte er, als in einem jugoslawischen Restaurant bei

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